Von der wachsenden Skepsis europäischer KonsumentInnen gegenüber Gentechnik-Nahrungsmitteln könnten Brasiliens Soja-Exporteure profitieren
Und Folgen gibt es tatsächlich. Bereits im Jänner hatten australische Exporteure, die als einzige garantiert gentech-freien Raps anbieten können, ihre bisher größte Rapslieferung in die EU verschifft. Kanada dagegen erlitt laut Greenpeace 1998 bei Rapsexporten in die EU Verluste von 400 Millionen US-Dollar, da in Kanada keine Trennung von üblichem und transgenem Raps erfolgt.
Anfang Mai schließlich gab der Agrobusiness-Konzern Archer Daniels Midland bekannt, US-Farmern einen Aufschlag für die Verwendung eines nicht gen-modifizierten Soja-Saatguts von DuPont zu bezahlen – mit ausdrücklichem Hinweis auf die Probleme in Europa. Das Saatgut ist übrigens gegen das DuPont-Herbizid Synchrony resistent. Das Angebot bezieht sich auf bis zu 4 Millionen Hektar oder 14% der US-Sojaanbaufläche.
Rückschläge für die Gentechnik-Saatgutbranche, eine Handvoll Konzerne wie DuPont, Monsanto oder Novartis, gab es zuletzt auch außerhalb Europas. Mitte März zog Monsanto einen Antrag auf Freisetzung transgenen Sojas in Brasilien zurück, ein Erfolg einer breiten Allianz unter Einschluß des Gouverneurs des Bundesstaats Rio Grande do Sul. Ein Faktor dabei: die Sorge um die brasilianischen Soja-Exporte in den Hauptmarkt Europa. Brasilien ist nach den USA der weltgrößte Soja-Exporteur.
In Indien wiederum stoppte Ende Februar der Oberste Gerichtshof Freisetzungsversuche von Bt-Baumwolle von Monsanto. Die Bt-Baumwolle enthält das Bakterium Bazillus thuringiensis, das Schädlinge wie etwa den Baumwollkapselwurm tötet.Monsantoselbst zeigt sich unbeeindruckt. China wird 1999 Bt-Baumwolle auf mehr als einem Viertel seiner Anbaufläche einsetzen, erklärte Robert Fraley, Chef des Geschäftsbereichs Landwirtschaft bei Monsanto, Ende April. Das zeige, daß der Gebrauch gentechnisch modifizierten Saatguts weiter zunehmen werde.
Ins gleiche Horn stieß Terry Francl, Chefökonom der American Farm Bureau Federation, der größten Farmerorganisation der USA: Ob die Europäer nun eine Kennzeichnung einführen oder nicht, die Mehrheit der Feldfrüchte werde „sehr bald“ aus Biotech-Produkten bestehen. Die Kennzeichnung von GMO-Produkten, so Fraley, sei wahrscheinlich sogar „eine der Lösungen zur Öffnung des EU-Markts“.
Ist die Gelassenheit gespielt? Wohl nur zum Teil. Denn erstens entwickelt die Branche bereits „höherwertiges“ Saatgut, das nur mit Kennzeichnung am Markt reüssieren kann. So hat etwa DuPont die Zulassung einer Sojabohne beantragt, die sich durch einen höheren Gehalt an ungesättigten Fettsäuren auszeichnet. Zweitens ist die Akzeptanz von GMO-Produkten in den USA hoch, und der Zukunftsmarkt für US-Exporteure liegt eher in Ost- und Südostasien, wo der Nahrungsmittelbedarf bis 2025 um 100 bis 150% zunehmen könnte. Dort steht pro Kopf der Bevölkerung im Schnitt jedoch sechsmal weniger Anbaufläche zur Verfügung als auf dem amerikanischen Kontinent. Die Alternative für Asien: Steigerung der Hektarerträge bei Getreiden – um 50 bis 75% laut ExpertInnen – oder wachsende Importabhängigkeit.
Daher auch die Haltung der Asiatischen Entwicklungsbank, die in einer Ende April veröffentlichten Studie die rasche Adaptierung der Gen- und Biotechnologie in der Landwirtschaft des Südens befürwortet – auch um die Dominanz der transnationalen Unternehmen zurückzudrängen. Das Internationale Reisforschungsinstitut bei Manila (Philippinen) versucht etwa, einen Superreis zu entwickeln, der die Erträge von 5 auf 15 Tonnen pro Hektar steigern könnte, und beklagt sich über mangelnde Finanzierung.
Fazit: Die Schlacht um die Gentechnik in der Landwirtschaft wird wohl nicht in Europa entschieden werden.
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