Die schwarzblaue Bundesregierung will Österreich mit dem Klimaschutz-Plan „Mission 2030“ auf den richtigen Weg bringen. Der wird dafür nicht ausreichen.
Von Ruth Fulterer und Laima Eicke
Extreme Wetterereignisse, Versagen beim Klimawandel, Naturkatastrophen. Zum ersten Mal haben die Top 3-Risiken, die das Zusammenleben der Menschheit auf der Erde bedrohen, alle mit dem Klimawandel zu tun. So der neueste „Global Risks Report“. Diesen Risikobericht geben die Veranstalter des Weltwirtschaftsforums jedes Jahr heraus, kurz bevor sich die Reichen und Mächtigen in Davos in der Schweiz treffen. Bislang sorgten die sich eher um schwächelnde Wirtschaft, Massenvernichtungswaffen oder Cyberattacken. Seit heuer schiebt der Klimawandel diese Probleme auf die hinteren Plätze.
Wie sieht es hierzulande aus: Ist der österreichischen Regierung der Ernst der Lage bewusst? Wie wird sie gegen den Klimawandel aktiv? Die Regierung bekennt sich laut Regierungsprogramm zum Klimaschutz, auch wenn manche FPÖ-PolitikerInnen den Klimawandel leugnen. 2018 habe sich bereits „extrem viel getan“, so Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) im Dezember auf einer Pressekonferenz. Sie bezog sich auf die „Mission 2030“, Österreichs neue Klima- und Energiestrategie.
Umweltorganisationen sehen das anders. Greenpeace etwa spricht von einem „Totalversagen der Regierung beim Klimaschutz“. Die NGO kritisiert die Erhöhung des Tempolimits auf Autobahnen auf 140 km/h sowie den Ausbau des Wiener Flughafens. Beide Maßnahmen steigern Emissionen anstatt sie zu reduzieren.
Aber auch wenn man sich die „Mission 2030“ genauer ansieht, bleiben viele Fragen offen.
Kampagne. Mit der „Mission 2030“ hat die Regierung eine 92-seitige Broschüre zum Klimaschutz veröffentlicht. Wem das zu viel Lesestoff ist, der findet im Netz ein Video, in denen glückliche Kinder über Blumenwiesen mit Windrädern laufen und smarte Familienväter Elektroautos aufladen. Vom Willen der Bundesregierung, die Klima- und Energieziele zu erreichen, ist da die Rede. Und davon, dass Verbote nicht der richtige Weg sind, aber jeder etwas beitragen muss. Österreich ist auf dem richtigen Weg, suggeriert der Spot.
Die EU-Kommission prüft zurzeit, ob der Nationale Klima- und Energieplan der Bundesregierung, den jedes Land an die EU übermitteln muss, ausreicht, bis 2030 die Treibhausgasreduktionen zu erreichen, zu denen sich Österreich bei der EU im Rahmen des Pariser Vertrags verpflichtet hat.
Stellt man sich die internationalen Klimaverhandlungen als Picknick vor, zu dem jedes Land etwas mitbringt, dann ist Österreich einer der ewigen Schnorrer. Mit dem Kyoto-Protokoll hatten sich die Industriestaaten 1997 geeinigt, ihre Emissionen gegenüber 1990 zu reduzieren, in Österreich um 13 Prozent. Österreich und Luxemburg waren die einzigen EU-Staaten, die in der ersten Laufzeit des Kyoto-Protokolls (2008 bis 2012) die Einsparungen nicht erbrachten und zudem 2012 insgesamt sogar mehr Treibhausgase in die Luft pusteten als 1990.
Das erste Kyoto-Ziel konnte Österreich nur erreichen, indem es mehr als 500 Millionen Euro für Klima-Zertifikate ausgab: Die Einsparung, die man hierzulande nicht erreichte, hat man sich durch Projekte im globalen Süden erkauft.
Ab der zweiten Kyoto-Periode, also für die Jahre ab 2013, mussten die Staaten nicht mehr mit 1990 vergleichen, sondern konnten ihr Referenzjahr aussuchen. Österreich wählte 2005, das Jahr mit den höchsten Emissionen. Verglichen damit sahen die folgenden Jahre nach Fortschritt aus.
Die Verträge, die 2015 in Paris beschlossen wurden, lösen die Kyoto-Ziele ab. Die Weltgemeinschaft hat sich das Ziel gesetzt, die globale Erwärmung auf „weit unter 2 Grad Celsius“ zu beschränken. Was Österreich für die Umsetzung gerade präsentiert hat, schaut auf den ersten Blick gut aus. ExpertInnen zufolge ist allerdings nicht viel dahinter.
Problem Verkehrssektor. „Grundsätzlich wäre es möglich, die bis 2030 versprochenen Klimaziele zu erreichen“, meint Karl Steininger, Volkswirt am Wegener Center für Klima und globalen Wandel in Graz. „Aber mit den Maßnahmen des Nationalen Energie- und Klimaplans allein schaffen wir es bei Weitem nicht.“
Verträge und Verpflichtungen
Dass Länder im Klimaschutz kooperieren, sollen vor allem internationale Verträge sichern.
Auf globaler Ebene passiert diese Kooperation im Rahmen der Vereinten Nationen (UN). Mit dem Kyoto-Protokoll haben sich 1997 erstmals Staaten der UN verbindlich darauf geeinigt, die Treibhausgase zu reduzieren. Die Reduktionsziele unterlagen einem Sanktionsmechanismus. Wer sie nicht erreichte, musste Strafe zahlen.
Im Pariser Vertrag, der 2015 das Kyotoprotokoll ablöste, konnte man sich nicht auf Sanktionen einigen, trotzdem sind die Ziele rechtlich bindend und verpflichtend. Sollte ein Staat sich nicht daran halten, ist die internationale Politik allerdings auf den Druck durch öffentliche Verurteilung angewiesen.
Gleichermaßen verhält es sich mit den nachhaltigen Entwicklungszielen, den SDGs, die auch Österreich zu fördern versprochen hat – darunter fällt die Förderung sauberer Energiequellen und Klimaschutz.
Auf europäischer Ebene ist die Kooperation enger und damit auch die Verbindlichkeit höher. Die EU tritt bei Klimaverhandlungen mit einer gemeinsamen Stimme auf und hat unter dem Pariser Abkommen ein gemeinsames Klimaziel eingereicht, das alle Mitgliedstaaten in die Verantwortung nimmt.
Darüber hinaus ist Österreich im Rahmen des Klima- und Energiepakets der EU zu Emissionsreduktionen bis 2020 und 2030 verpflichtet – ansonsten drohen Geldstrafen. R.F./L.E.
Als Beispiel nennt Steininger den Verkehrssektor. Der bläst jährlich 22 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente in die Atmosphäre. Der Verkehr ist für fast ein Drittel der Emissionen in Österreich verantwortlich. „Die Klimastrategie legt das Ziel fest, die Emissionen um 7,2 Millionen Tonnen zu reduzieren. Aber wenn wir alle vorgeschlagenen Maßnahmen umsetzen, erreichen wir nicht einmal die Hälfte davon, selbst wenn wir großzügig rechnen“, so Forscher Steininger.
Ziele ohne Strategien. Und selbst in den Bereichen mit ambitionierten Zielen fehlen konkrete Ansätze, wie man diese erreichen will. Zum Beispiel soll Österreich ab 2030 so viel Strom aus Erneuerbaren Energiequellen ins Netz speisen, wie es selbst verbraucht. Das „100.000 Dächer-Programm“ soll Einzelpersonen und Unternehmen unterstützen, die in Photovoltaik- und Speicheranlagen investieren.
Nur: Wie genau, das verrät der Plan nicht. Er erwähnt nur die Streichung der Eigenstromsteuer und das Vorhaben, „Investitionshindernisse“ im Wohn- und Anlagerecht zu beseitigen. Auf Nachfrage verweist man beim Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus auf das „Erneuerbaren Ausbau Gesetz“ (EAG), das derzeit erarbeitet wird und 2020 in Kraft treten soll.
Klimaexperte Steininger glaubt nicht, dass die Gesetzesänderungen, die bisher zur Diskussion stehen, reichen.
Denn der Ausbau erneuerbarer Energien hat Grenzen. Österreich müsste seinen Gesamtenergieverbrauch bis 2050 halbieren, um sich allein mit Ökostrom versorgen zu können, schätzt Steininger. Davon ist im schwarz-blauen Klimaplan nicht die Rede – nur davon, dass der Energiebedarf in Relation zur Wirtschaftsleistung gesenkt werden soll – er darf also weiter ansteigen, nur nicht schneller als das Wirtschaftswachstum.
Generell gibt es im Nationalen Energie- und Klimaplan zwar einige Ideen, aber keine verlässliche Strategie, um die Klimaziele zu erreichen, so Johannes Waldmüller von der Umweltorganisation Global 2000. Deshalb werde ihn die EU-Kommission auch wieder zurückweisen, ist der Klimasprecher der NGO überzeugt.
Und dessen sei sich auch die Regierung bewusst. „Bis Ende 2019 wird man einen neuen Vorschlag ausarbeiten müssen. Dabei hatte die Regierung schon mehr als genug Zeit“, so Waldmüller.
Investitionen nötig. Wer Klimaschutz betreiben will, muss Geld in die Hand nehmen, sind sich Umweltorganisationen und VertreterInnen der Wissenschaft einig: Sanierungen, Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel, Förderungen für Ökostrom etc. – das alles sind Investitionen, die sich laut ExpertInnen in Zukunft auszahlen würden, aber erstmal kosten. Im Bundesfinanzrahmen für 2019 bis 2022 ist für „Umwelt, Energie und Klima“ jedes Jahr weniger Geld veranschlagt, in Summe sinkt das Budget um mehr als 200 Millionen Euro.
Mehr Umweltschutz mit weniger Geld? Die Opposition hat Zweifel. Andreas Kollross (SPÖ) etwa vermisst hinsichtlich eines rückläufigen Budgets Wille und Engagement im Kampf gegen den Klimawandel.
Noch viel zu tun. Das Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO hat bereits 2016 errechnet, dass Österreich jährlich ca. vier Milliarden Euro für „umweltkontraproduktive“ Steuererleichterungen und Subventionen ausgibt. In der „Mission 2030“ verspricht die Regierung, bis Mitte 2019 eine Liste dieser Subventionen zu erstellen, um sie zu prüfen. Ein Hoffnungsschimmer? Waldmüller winkt ab: „Das ist Zeitschinderei. Die Liste hat das WIFO ja bereits vorgelegt“, so der Klimasprecher von Global 2000.
Um im Klimaschutz weiter voranzukommen stehen der österreichischen Politik mehrere Hebel zur Verfügung. Ein Beispiel ist die Raumplanung, in der es darum geht, wo die Menschen in Zukunft arbeiten und wie sie sich versorgen. Ist die Infrastruktur auf Autos ausgelegt? Oder auf öffentlichen Nahverkehr, Fahrräder und Fußgänger? Ein anderer Bereich sind Gebäudesanierungen: Wenn Häuser schlecht isoliert sind, geht viel Energie verloren.
In Österreich erlaubt das Gesetz, dass eine einzelne Eigentümerpartei die Sanierung eines Hauses verhindert.
Landwirtschaft und Abfall tragen ebenfalls beträchtlich zu den Emissionen bei. Während die Abfallwirtschaft verstärkt auf Recycling setzt und Kreisläufe schließen will, belasten in der Landwirtschaft vor allem chemische Düngemittel und die Tierhaltung für Fleisch und Milchprodukte das Klima.
Insgesamt sind laut ExpertInnen also nicht nur kleine Änderungen unserer Industrien nötig, sondern eine Umstellung bei Ernährung, Mobilität, Wohnen, Arbeit – wie wir generell leben. „Und damit sollten wir bald beginnen“, betont Steininger: „Wir sind die letzte Generation, die es schaffen kann, die Ziele von Paris zu erreichen. Und je länger wir warten, desto teurer wird es. Ich hoffe, dieser Regierung ist das bewusst.“
Ruth Fulterer ist freie Journalistin. Laima Eicke ist Wissenschaftlerin, u.a. mit dem Fokus Klimapolitik.
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