Roman. Aus dem Spanischen von Heinrich von Berenberg. Hanser Verlag, München 2007, 157 Seiten, EUR 17,90
Sebastián Urritia Lacroix liegt fiebernd auf seinem Sterbebett und blickt auf verschiedene Episoden seines Lebens zurück. Es ist eine gehetzte, pausenlose Beichte. Gejagt vom „vergreisten Grünschnabel“, von seinem Gewissen, rechtfertigt und entschuldigt sich der ehemalige Priester, der sich während seines ganzen Lebens mehr für Literatur als für Theologie interessierte, mit vielen Schriftstellern Kontakt hatte und Literaturkritiker wurde. Ein typisches Merkmal seines Wesens war seine Farblosigkeit und Unauffälligkeit, die es ihm ermöglichte, sich überall durchzuschlängeln, ohne sich wirklich zu engagieren. Gerne bewegte er sich zwischen den Fronten, war immer auf der rechten Seite zu finden und hatte doch keine eigene Meinung, die es ihm erlaubt hätte, politische Entwicklungen zu beurteilen. Irgendwie bleibt er auch in seiner letzten Erzählung im Oberflächlichen. Spannend zu lesen ist die Begegnung mit Pablo Neruda oder das Treffen mit Ernst Jünger während des Zweiten Weltkrieges in Paris oder seine Erkundigungsreise durch Europa, wie man Tauben am besten von kirchlichen Gebäuden fernhält. Ganz schauerlich sind die Szenen, in denen der Beichtende völlig unberührt und harmlos Pinochet und seinen Beratern Nachhilfestunden in der Lehre des Marxismus gibt. Selbst bei den unter Literaten berühmt-berüchtigten Empfängen der María Canales merkt er nicht, wie ihr nordamerikanischer Ehemann, ein CIA-Agent, im Keller der Villa Menschen foltert.
Bolaño-Begeisterte kommen bei der Lektüre voll auf ihre Rechnung. Oberflächliche Belanglosigkeit wechselt mit tiefgründiger Tragik. Grenzenlose Fantasie verbindet sich mit historischen Wahrheiten. Und immer geht es um die spannende Frage, was Literatur letztlich zu bewegen und zu bewirken vermag. Die Antwort zu finden bleibt den Lesenden überlassen.