Die Meldung, die Nobelpreisträgerin Rigoberta Menchú habe in ihrer Autobiographie einige Details aus ihrem Leben erfunden, fand in den Medien große Aufmerksamkeit und erregte auch Verwirrung und Beunruhigung.
Nach der Verbrennung ihres Vaters Vicente in der spanischen Botschaft von Guatemala-Stadt und der zunehmenden Gefährung ihrer eigenen Person war Rigoberta nach Mexiko geflüchtet. Dort hatte sie 1982 die venezolanische, heute in Paris lebende Ethnologin Elisabeth Burgos kennengelernt. Burgos: „Ich war ungemein beeindruckt von Rigoberta. Sie blieb bei mir zuhause, und aus neunzehn Stunden auf Kassette aufgenommener Gespräche entstand dann ein Buch.“ Schon 1984 erschien das Buch in deutscher Übersetzung im Lamuv-Verlag („Rigoberta Menchú. Leben in Guatemala“) und beeindruckte Hunderttausende LeserInnen als erschütterndes Zeugnis des Leidensweges der indianischen Bevölkerung von Guatemala.
Stoll hat beinahe zehn Jahre recherchiert, und es dürfte stimmen, daß einige Angaben Rigobertas nicht ganz der Wahrheit entsprechen. Geir Lundestad, Direktor des Nobelpreis-Instituts: „Alle Autobiographien sind zu einem größeren oder kleineren Teil ausgeschmückt.“ Und der Vorsitzende des norwegischen Nobelpreis-Komitees, Francis Sejersted, gab an, von der Kritik an Menchús Autobiographie schon vor der Verleihung des Nobelpreis Kenntnis gehabt zu haben: „Wir haben vor der Zuerkennung des Preises sehr sorgfältig nachgeforscht und sind zum Ergebnis gekommen, daß keiner dieser Kritikpunkte die Verdienste von Rigoberta Menchú schmälert.“
Elisabeth Burgos relativiert die Stolls Meinung nach unkorrekten Aussagen Rigobertas aus anthropologischer Sicht: „Man kann nicht sagen, daß Rigoberta lügt. Sie ist ein Mensch aus einer anderen kulturellen Tradition, einer präliterarischen Tradition der mündlichen Überlieferung, in der die Geschichte einen kollektiven Charakter besitzt.“
Die Hauptkritik in StollsBuch richtet sich gegen die internationale Solidaritäts- und Menschenrechtsbewegung, die immer nur die Verbrechen der Militärs angreife. Es stört ihn, daß die Guerilleros in Rigobertas Autobiographie stets als die Guten dargestellt werden. Er formuliert seine aufklärerische Mission folgendermaßen: „Wenn ein Buch fast als heilig verehrt wird, dann ist das ein Zeichen dafür, daß es Gegensätze enthält, die ans Licht gebracht werden müssen.“
Rigoberta Menchú kündigte eine wissenschaftliche Untersuchung an, denn „einer politischen Provokation muß man eine akademische Antwort geben“.
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