Die Umstände des Amtsantritts von Diktatorensohn Faure Gnassingbé als neuer Präsident Togos erinnern an vergangen geglaubte Zeiten einer skrupellosen Machtpolitik, mit wesentlicher Beteiligung von Paris.
Auch wenn sich vielerorts in Afrika Demokratie ausbreitet, halten sich auf dem Kontinent noch finsterste Praktiken einer alten Politik, die über Leichen geht. Togo, das kleine Land zwischen Ghana und Benin an der westafrikanischen Atlantikküste, bietet das jüngste Beispiel dafür und auch für die Gleichgültigkeit der internationalen Gemeinschaft. 810 Tote hat die politische Gewalt im Umfeld der umstrittenen Wahl von Präsident Faure Gnassigbé gefordert, gibt die togoische Menschenrechtsliga (LTDH) bekannt. Rund 35.000 Menschen von einer Gesamtbevölkerung von fünf Millionen verließen allein in den vier Wochen nach der Wahl vom 24. April als Flüchtlinge das Land. Aber das Regime Gnassingbé ist international anerkannt, und die andauernde Gewalt wird ignoriert.
Die Entwicklung entspricht den düstersten Warnungen togoischer DemokratInnen davor, was nach dem Tod des Langzeitdiktators Gnassingbé Eyadema passieren würde, falls es keine internationale Initiative für einen geordneten Übergang zur Demokratie gäbe. Sicher, die putschartige Installation des Diktatorensohns Faure als neuer Präsident durch das Militär noch in der gleichen Nacht musste Ende Februar auf internationalen Druck rückgängig gemacht werden. Aber der junge Faure, nach Überzeugung der Opposition Drahtzieher der Schmuggelwirtschaft des Vaters, blieb im Präsidentenpalast wohnen und organisierte mit Hilfe des Staatsapparates seinen Wahlsieg. Errungen hat er ihn mit diskreditierten alten Wahllisten, ohne kritische internationale BeobachterInnen, dafür mit militärischer Gewalt in Oppositionshochburgen und offenem Betrug. Der Unmut der Afrikanischen Union und der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas darüber blieb von kurzer Dauer; Anfang Juni bereits wurden die kurzzeitig verhängten Sanktionen gegen Faure Gnassingbé wieder aufgehoben.
Es waren französische Berater, die ihm empfahlen, zunächst vom höchsten Staatsamt wieder zurückzutreten, um dann mittels Sieg bei scheinbar freien Wahlen Legitimationszweifel zu zerstreuen. KennerInnen der französischen Afrikapolitik, die in den letzten Jahren vor allem aus Rückzugsgefechten besteht und in der nahen Elfenbeinküste erst 2004 ein beispielloses Debakel erlebte, verneinen eine aktive Rolle Frankreichs – die Berater seien auf eigene Faust aktiv gewesen. Aber Frankreichs Präsident Jacques Chirac hatte nach dem Tod von Gnassingbé Eyadema Anfang Februar um einen „Freund“ getrauert und erkannte den Wahlsieg Faure Gnassingbés sofort an. Zur selben Zeit tobte in Lomé noch die Jagd auf Oppositionelle und das deutsche Goethe-Institut, vermuteter Treffpunkt von RegimegegnerInnen, ging in Flammen auf. Nigeria, Wortführer der Ecowas, soll aus Paris bedeutet worden sein, es könne seine Anwärterschaft auf einen ständigen Sicherheitsratssitz im Rahmen der UN-Reform vergessen, wenn es nicht spure. Französische Soldaten waren während der gesamten Zeit der Gewalt und des Blutvergießens in Lomé stationiert – und untätig.
Togos Hauptstadt Lomé ist der letzte Atlantikhafen in Westafrika, der noch zur französischen Einflusssphäre gezählt werden kann. Abidjan fiel bürgerkriegsbedingt aus, und so ist der Freihafen Lomé Nadelöhr für viele Importe der frankophonen Wirtschaftszone im Sahel. Daher ist die regionale Bedeutung Togos und eben auch Frankreichs Interesse daran größer, als es die Winzigkeit des Landes vermuten lässt. Zudem lassen die Gaullisten in Paris ihre alten Freunde in Afrika ungern fallen. Viele sind ja nicht mehr übrig.
Ein besonders schillerndes Nebenschauspiel bot das Schicksal von Togos Innenminister François Akila Boko. Der hatte in der Nacht zum Vortag der Wahl überraschend Journalisten zu sich einbestellt, eine Wahlverschiebung gefordert, sein eigenes Regime scharf kritisiert und danach sofort Zuflucht in der deutschen Botschaft gesucht – sehr zum Ärger Frankreichs und der togoischen Regierung, die seine Auslieferung forderte. Sein Schicksal wurde zum Faustpfand auf EU-Ebene zwischen dem regimefreundlichen Paris und dem oppositionsgeneigten Berlin. Am 5. Mai flog ihn eine französische Militärmaschine nach Frankreich aus – Ergebnis eines Tauziehens, das mit Deutschlands Zugeständnis endete, am 4. Mai der Amtseinführung Faure Gnassingbés offiziell beizuwohnen und ihn damit anzuerkennen. Boko lebt nun in Paris, belegt mit einer Schweigepflicht. Was könnte dieser Mann, der aus demselben Dorf stammt wie der tote Altdiktator, wohl alles erzählen.
Dominic Johnson ist Afrika-Redakteur der Berliner Tageszeitung taz.