Rauer Wind

Von Simon Inou Tchatchoua · · 2000/04

Der tragische Tod von M. Omofuma und die „Operation Spring“ verdeutlichten bereits, dass in Österreich ein „anderer Wind weht“. Besorgnis über die Auswirkungen der schwarz-blauen Regierung macht sich breit. Die Situation der Afrikanerinnen und Afrikaner

Österreich ist für mich mehr als nur das, was wir einst in der Schule gelernt hatten. Von Mozart, Johann Strauß, Sigmund Freud, Gregor Mendel und anderen war da die Rede. Inzwischen ist Österreich jedoch für mich vor allem ein Land, in dem ein Buch wie „Die 10 kleinen Negerlein“ noch immer in zu vielen Kinderzimmern und Kindergärten zu finden ist. Österreich ist auch das Land, in dem der Kopf eines Mohren das Markenzeichen einer großen Supermarktkette ist, die sich dafür preist, den besten Kaffee des Landes zu verkaufen. Für einen großen Teil der österreichischen Bevölkerung ist die Bezeichnung „Neger“ noch immer ein ganz normales Wort.

Dieselbe Normalität, was die Vorurteile Afrikanern gegenüber betrifft, konstatierte ich auch während der letzten Wahlkampagne in Wien. Die Bevölkerung stand den xenophoben „Revolverplakaten“ der Wiener FPÖ nahezu ohne Widerspruch, ja gleichsam schlafend gegenüber. Auch die hier ansässigen Menschenrechtsorganisationen verzichteten auf einen Aufschrei, ignorierten schweigend die minderheitenfeindliche Kampagne. Mehr als 50 Jahre nach der Deklaration der Menschenrechte werden immer noch Ungleichheiten geschaffen und von der Bevölkerung widerspruchslos hingenommen.

Für uns Afrikaner, die täglich mit vielen Formen von Rassismus konfrontiert sind, hat sich diese Art von österreichischer Normalität mit dem Tod von Marcus Omofuma am 1.5.1999 schlagartig geändert. Mit seinem Tod beginnt ein neues Selbstverständnis der hier lebenden Afrikanerinnen und Afrikaner: Sie finden sich in einem neuen Kontext von Unterdrückung wieder.

Das traurige Ereignis hat die afrikanische Gemeinde in Österreich jedoch gestärkt. Erste Schritte der Kooperation verschiedener Gruppen führten zu einem Netzwerk verschiedener afrikanischer Organisationen mit einem Ziel: den Alltagsrassismus aufzudecken und zu überwinden. Ein anderes Bild über das afrikanische Leben in Wien, als das in einer kleinformatigen Zeitung präsentierte, soll in der Öffentlichkeit entstehen. Vielfältige Information soll an die Stelle von Vorurteilen und verengten Sichtweisen treten.

Dann kam der 27. Mai. Um 5.00 Uhr morgens wurde die „Operation Spring“ der Wiener Polizei gestartet: Über hundert Festnahmen schwarzafrikanischer mutmaßlicher Drogendealer. Schlagzeilen. Kurz danach Freilassung von über 50% der Festgenommenen. Darüber wurde jedoch kaum mehr berichtet. Schließlich blieb eine handvoll Angeklagter in Haft. Das eben erst entstandene Netzwerk zerbrach mit einem Schlag. Viele Afrikaner haben seither Angst und begegenen einander mit großem Misstrauen.

Das viel zitierte „neue Österreich“ ging aus den Wahlen vom 3. Oktober hervor. In den Augen vieler ist dies das Resultat einer verfehlten Integrationspolitik der alten Koalition. „Ich bin froh über den Sieg Haiders“, sagte mir kürzlich ein Westafrikaner, der seit 21 Jahren in Österreich lebt. Die FPÖ sei, so seine Erklärung angesichts meines Staunens, die einzige Partei in Österreich, die sich klar zur Frage der Fremdenpolitik äußere.

Anderen macht dieses Österreich Angst. Rund 100 Afrikanerinnen und Afrikaner verließen in den letzten vier Monaten das Land. Der in den letzten Jahren so offensichtlich angewachsene Rassismus ist nur die Spitze des Eisberges. Eine weitere Verschlimmerung der Lage ist vorhersehbar.

Die Krise beginnt bereits in den fundamentalen Institutionen des Staates, der Schule, Justiz und Polizei. Jene Institutionen, die eigentlich der Sicherheit der Bürger und Bewohnerinnen eines Landes dienen sollten, sind für uns Unterdrückungsmaschinerien geworden. Menschen dunkler Hautfarbe, die mit ihren Familien hier leben, erzählen mir von den sehr negativen Erfahrungen, die ihre Kinder in diversen Kindergärten, Volksschulen und Mittelschulen machen.

Wie sicher kann sich ein Mensch dunkler Hautfarbe in einem Land überhaupt fühlen, in dem die Polizei einen Afrikaner brutal und erniedrigend behandeln darf, ohne Folgen fürchten zu müssen. Mit dem Gefühl, nicht frei zu sein, von ständigem heimtückischen Terror bedroht zu werden, leben die Organisationen der Afrikaner – oder was von ihnen übrig ist. Der Stimmenzuwachs der FPÖ bei der letzten Wahl wird die Situation noch verschlimmern.

Aber es gibt auch noch das „andere Österreich“, das die Haltung des passiven Beobachters längst aufgegeben hat. Es zieht sich durch alle Institutionen und Gesellschaftsschichten. Hier finden wir unsere Partner. Die alltäglich gelebte Solidarität vieler Österreicher gibt uns Hoffnung. Die Internationalisierung des „Österreichischen Konfliktes“ gibt uns die Chance, jene Rassismen, unter denen wir leiden, öffentlich zu diskutieren. Rassismus ist keine private Angelegenheit mehr. Er ist vielmehr Gegenstand offener und öffentlichen Diskurse.

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Simon Inou Tchatchoua, geboren in Kamerun, studiert Politik- und Kommunikationswissenschaften an der Uni Wien. Er ist Leiter der Redaktion von Radio Tribüne Afrikas, Ö1 Mittelwelle 1476 KHz.

Aus dem Französischen übersetzt von Sylvia Tomaschek.

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