Warum die „Federkrone des Montezuma“ in Wien bleiben, der Buddhakopf aus Nepal jedoch die Heimreise antreten soll.
Alle Jahre wieder kommt eine Gruppe MexikanerInnen nach Wien, um mit Tänzen die Rückgabe der so genannten „Federkrone des Montezuma“ zu erwirken. Das Stück sei im 16. Jahrhundert gestohlen worden und möge an die rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben werden. Alljährlich taucht dabei in der Öffentlichkeit das Museum für Völkerkunde als Aufbewahrungsort von Raubgut und Verhinderer der Rückgabe auf. In dieser Inszenierung wird weder thematisiert, wie der Federschmuck nach Europa kam noch wer der juridisch rechtmäßige Besitzer ist, oder dass es keine diesbezügliche Anfrage mexikanischer Regierungsstellen gibt. Was bleibt ist der Eindruck, dass weiße Museumsmenschen den farbigen Einheimischen ihre Schätze wegnehmen und sich ihren Besitz einverleiben.
Vor kurzem tauchte in mehreren Zeitungen ein gegenteiliges Bild des Museums auf. Und zwar das eines Aufdeckers eines Kunstdiebstahls und des Betreibers der Rückführung des Objekts. Wie ist es dazu gekommen? Letzten April hat ein deutscher Kunsthändler dem Museum einen großen nepalesischen Buddhakopf zum Kauf angeboten – mit allen Ausfuhrplomben und Ausfuhrpapieren der zuständigen nepalesischen Behörden.
Einem Ankauf wäre also juridisch nichts im Wege gestanden, nur ein tibetologisch-ethnologisch motiviertes Gefühl sandte Warnsignale aus. Kurz darauf wurden diese Warnsignale bestätigt – der Erwerb eines grandiosen Stückes für die Sammlung des Museums und somit für die Öffentlichkeit war geplatzt; und das tut einem Kurator schon weh!
Ein Spezialist am Wiener Institut für Tibetologie und Buddhismuskunde hatte direkt in Nepal nachgefragt und erfahren, dass dieser Buddha vor kurzem gestohlen wurde. Im Gegensatz zur Federkrone ist auch der rechtmäßige Besitzer im Ursprungsland bekannt. Der Diebstahl war schon bei der nepalesischen Polizei und dem Department of Antiquities gemeldet. Und trotzdem all die nepalesischen Plomben und Papiere!?
Das Museum veranlasste daraufhin die Meldung des gestohlenen Objektes an die Wiener Polizei. Neben dem bewiesenen Diebstahl war es vor allem der Umstand, dass dieser Buddha in der gelebten religiösen Praxis im Kathmandutal eine wichtige Rolle spielt, der die polizeiliche Meldung ethisch vorschrieb. Opfert ein Gläubiger diesem Buddha, erwirbt er sich religiösen Verdienst, der ihn dem Nirvana ein gutes Stück näher bringt. Die Möglichkeit zu diesen Opfern bietet sich nur alle fünf Jahre bei einer großen Prozession – bei der nächsten sollte der Kopf wieder durch die Straßen Kathmandus Nachbarstadt Patan getragen werden.
Dritter Grund für die polizeiliche Meldung, und natürlich nicht weniger bindend, waren die ethischen Richtlinien von ICOM, dem International Council of Museums. Das Museum für Völkerkunde ist institutionelles Mitglied in diesem Museumsverband und somit dessen ethischen Richtlinien verpflichtet. Diese Richtlinien sind bezüglich des Erwerbes von Objekten aus dem Kunsthandel sehr explizit:
„Der illegale Handel mit Objekten, die für öffentliche oder private Sammlungen bestimmt sind, fördert die Zerstörung historischer Stätten und örtlicher ethnischer Kulturen sowie den Diebstahl sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene, … und widerspricht somit dem Geist der Verantwortlichkeit für das nationale und internationale Erbe. Museen sollten sich darüber im Klaren sein, dass eine Verbindung besteht zwischen der Nachfrage und der oft zerstörerischen Entnahme von Objekten, die auf dem freien Markt verkauft werden sollen. Museen müssen einsehen, dass es äußerst unethisch ist, illegalen Handel in irgendeiner Weise direkt oder indirekt zu unterstützen.“ So weit so gut so klar. Aber jetzt wird mich die ICOM-Kollegenschaft geiseln: bei der nächsten Party bei einem privaten Sammler, die zwischen asiatischen Göttern stattfindet oder bei der afrikanische Holzmasken im Küchendunst schmoren, wird sich wieder die Überlegung aufdrängen, ob es nicht doch besser wäre, diese Objekte wären der Allgemeinheit zugänglich. Gewiss – das erinnert an das berüchtigte Argument jedes Waffenhändlers „wenn ich es nicht mache macht es wer anderer“. Wenn das Museum nicht kauft, kauft ein Privatsammler für seine eigenen vier Wände.
Natürlich trifft diese Überlegung nicht auf „unseren“ Buddhakopf zu.
Schon ein halbes Jahr wartet eine Gemeinschaft Gläubiger sehnsüchtig auf die Rückkehr ihres Buddha – obwohl das Museum für Völkerkunde ICOM-konform behilflich war, Maßnahmen einzuleiten, „um bei der Rückgabe des Objektes an das Herkunftsland behilflich zu sein, wenn dieses die Rückgabe beantragt und nachweist, dass das Objekt Bestandteil seines kulturellen Erbes ist“.
Bisher haben die offiziellen Stellen Nepals, obwohl mit diesem Fall bestens vertraut, keine verbindlichen Rechtswege eingeschlagen. Nur die rechtmäßigen Besitzer, Privatpersonen, haben beim Landesgericht Wien die Rückführung beantragt. Dass deutsche Gerichte eine Anklage gegen den Kunsthändler erwägen und österreichische „den Akt auf Kalender gelegt haben“, wird die Rückkehr des Buddha nicht beschleunigen. Oder würden Tänze helfen?
Der Autor ist Kurator für Süd-, Südostasien und Himalaya am Museum für Völkerkunde und leitete die Rückführung des gestohlenen Buddhakopfes ein.
Siehe auch Seite 9.