Universität als wiederkehrendes institutionelles Trauma für Schwarze Personen und Personen of Color, auch hier bei uns in Wien.
Gebildet heißt liberal und weltoffen? Mitnichten! Symptomatisch für die Universität Wien wie auch viele andere Hochschulen ist das elitäre und klassistische Denken, dass Rassismen nur von ungebildeten Personen (re)produziert werden, die am Land leben. Dieses Denkmuster fungiert zugleich auch als Ausrede und Abwehrmechanismus, wenn Personen auf ihre Reproduktionen von Rassismen angesprochen werden.
Ohne Zweifel ist Rassismus weder ans Bildungsniveau noch an einen ländlichen Standort gebunden. Hier greifen mehrere Diskriminierungsmechanismen ineinander: Rassismus wird externalisiert, indem er lediglich Personen zugeschrieben wird, die abgewertet werden: Hier trifft Rassismus auf Klassendenken.
Ein solcher Erklärungsansatz verschleiert, dass im Herzen Wiens an Universitäten auch heute noch Kolonialgeschichte, kolonial-rassistische Sprache, beleidigende und diskriminierende Stereotype, eurozentrische, orientalisierende Inhalte und rassistische Materialien gelehrt, verwendet und produziert werden; und so der weiße, kolonialistische, rassistische, patriarchale, ableistische (diskriminierend gegenüber Menschen mit Behinderung) Wissenschaftskanon reproduziert wird.
Diskriminierte zum Problem gemacht. BIPoC-Studierende (BIPoC ist die Abkürzung und Selbstbezeichnung von Black, Indigenous, People of Color) stehen andauernd vor der kritischen Entscheidung, sich durchzusetzen oder zu schweigen, dies entspricht auch den Trauma-Reaktionen: Fight, Flight, oder Freeze.
Alle Optionen haben Konsequenzen sowohl für den Studienverlauf als auch für die Person selbst. BIPoC-Studierende, die kommunizieren, dass etwas beleidigend, diskriminierend und problematisch ist, werden meist kollektiv „ge-gaslighted“, also desorientiert bzw. manipuliert, indem uns vermittelt wird, dass wir übersensibel, zu subjektiv sind und dass wir den Unterricht stören. Viele BIPoC-Studierende schaffen es, trotz der vielen Mikro- (und Makro-)Aggressionen, durch das Universitätsleben zu navigieren.
Andere verlassen bestimmte Seminare, meiden bestimmte Lehrpersonen, verzögern damit ihre akademische Laufbahn und riskieren folglich in vielen Fällen auch finanzielle Unterstützungen. Manche brechen ganze Studiengänge ab, weil die komplette Studienrichtung problematisch ist. Viele BIPoC-Studierende wissen auch, dass sie sich so gut wie möglich anpassen müssen, um ihr Studium positiv abzuschließen.
Die Problematik, dass viele BIPoC-Studierende tatsächlich mehr relevantes Wissen bzgl. Rassismus haben als Lehrende, führt oft dazu, dass sie sich nicht trauen, ihre Arbeiten „richtig” abzugeben, weil unser Wissen als Betroffene nicht anerkannt wird.
„Wie kann ich diese Arbeit indirekter, weniger ehrlich und angenehmer für eine weiße Professorin bzw. einen weißen Professor machen?” ist eine Frage, die immer wieder in unseren Sessions besprochen wird. „Wenn ich X oder Y erwähne, muss ich es womöglich dann persönlich diskutieren, oder fliege im schlimmsten Fall sogar durch.”
Es gibt viele Studien dazu, wie diese Mechanismen, Zuschreibungen und Verletzungen die psychologische Gesundheit von BIPoC beeinflussen. Eine Universitätskultur, die so stark auf „Color blindness“ beharrt – also jene Ideologie, nach der alle Menschen gleichbehandelt werden sollten und somit strukturelle Nachteile ausblendet –, zeigt mit dem Finger direkt auf Studierende, die die Aufmerksamkeit auf Rassismus richten.
Dabei werden Personen, die Rassismen sichtbar machen, als Problem dargestellt und nicht die Thematik selbst. Wie viel könnten BIPoC-Studierende aus dem Studium herausholen, wenn wir das Privileg hätten, uns ausschließlich dem zu widmen und das ohne diese alltäglichen Ablenkungen, Kränkungen, Verletzungen und Überlebensstrategien? Wir könnten einfach nur studieren.
© privat
Parissima Taheri (im Foto links) ist Psychologin und Gründerin von Wir sind auch Wien
Farah Saad ist Politologin und Klinische Sozialarbeiterin. Sie steht ebenfalls hinter Wir sind auch Wien.
Bei diesem Text handelt es sich um einen Ausschnitt einer längeren Auseinandersetzung der Autorinnen mit dem Thema. Die vollständige Version ist zu lesen unter: https://mentalhealth.oeh.ac.at/broschuere
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