Was sind die drei wichtigsten Zukunfts-Sektoren für die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit
(ÖEZA) der nächsten Jahre? Diese Frage stellten wir Außenministerin Benita Ferrero-Waldner und dem
entwicklungspolitischen Querdenker Helmut Adam.
Es ist verständlich, wenn in Zeiten der Reorganisation der ÖEZA auch die Frage nach der zukünftigen inhaltlichen Ausrichtung des Programms gestellt wird. Diese Entscheidung hängt im Wesentlichen von einer grundlegenden Bewertung der bestehenden Zusammenarbeit ab, wofür nicht nur objektivierbare Erfolge, sondern auch die Meinung der internationalen Partnergemeinschaft die Grundlage bilden.
Ich bin froh sagen zu können, dass viele unserer bilateralen Landesprogramme vor allem jenseits der Grenzen Österreichs höchste Anerkennung gefunden haben. Dies gilt in gleicher Weise für die bisherigen Schwerpunktsektoren, welche nicht zufällig als entscheidend für die Erreichung der Millennium Development Goals zu betrachten sind und die in den Poverty Reduction Strategy Papers fast immer als höchste Priorität ausgewiesen werden: Im Sektor Bildung verfügt Österreich über eine vielschichtige Erfahrung, die vor allem hinsichtlich Berufsbildung, kommunal ausgerichteter Grundbildung sowie in der Förderung von Nord-Süd-Wissenschafts- und Forschungspartnerschaften zum Ausdruck kommt. Das Konzept und die operationale Gestaltung des Bereichs Landwirtschaft und ländliche Entwicklung wurden von Seiten des DAC der OECD auf Grund seiner Umweltorientierung als mustergültiges Beispiel auch für andere Geber gelobt. Den Sektor Wasserversorgung hat ein internationales Team erst vor wenigen Monaten evaluiert und bestens bewertet.
Darüber hinaus gibt es Ansätze, die mit den zu erwartenden zusätzlichen finanziellen Mitteln noch umfassender und intensiver zu verfolgen sein werden:
Österreich sollte nichts unversucht lassen, sein Kooperationspotenzial im Sektor Energie stärker auszuschöpfen, vor allem wenn konkrete Problemlösungen zugunsten ärmerer Bevölkerungsgruppen angeboten werden können.
Der Bereich Good Governance ist nicht nur in den Teilaspekten der Konfliktverhütung und der Menschenrechte von großer Bedeutung, sondern auch hinsichtlich der Demokratisierung der Entscheidungen und der politischen Teilhabe aller.
Das bisherige Engagement im Bereich der Förderung von Mikro- und Kleinbetrieben wird durch den bereits beschlossenen Ausbau der Kooperation im Rahmen von „Wirtschaft und Entwicklung“ durch neue Kooperationsformen aufgewertet werden.
Benita Ferrero-Waldner
Darf ich mir die Freiheit der Vision – jenseits der Sachzwänge – nehmen, wenn ich „Zukunft“ denken soll?
Ich habe ein Bild vor mir: Irgendwo ein weites, fruchtbares Tal mit einer Stadt mittendrin. Fernab wird beschlossen, einen Staudamm zu bauen. Dann ist er fertig, und die Häuser stehen bis zum Dach im Wasser. Die Menschen sitzen zu Tausenden auf den Dächern und die Staudammbauer kommen mit Booten aus der Ferne und bringen ein paar trockene Sachen, Lebensmittel und gute Ratschläge, wie man auf Dächern überleben kann. Das beschreibt die Situation, in der sich Entwicklungszusammenarbeit (EZA) oft befindet. Die erste Priorität der EZA müsste es sein, den historischen Staudamm zu beseitigen. Dazu ist intensivste Lobbyarbeit nötig. Es geht schlicht darum, in den reichen Staaten und bei den Global Players die Präsidenten, Direktoren und Kanzler, die Finanzminister und Wirtschaftsminister, Männer und Frauen, die das Geschick der Welt mitbestimmen, davon zu überzeugen, dass wir eine andere Weltordnung brauchen. Eine, die nicht die Hälfte der Menschheit von vornherein von einer menschenwürdigen Existenz ausschließt. Es muss als Skandal begriffen werden, dass Tag für Tag Zehntausende Menschen verhungern, verdursten, an leicht behandelbaren Krankheiten sterben. Diese Überzeugungsarbeit sollte auf der Prioritätenliste der EZA-Verantwortlichen ganz oben stehen.
Laut Millenniumserklärung der UN-Mitgliedsstaaten soll der Anteil der in extremer Armut lebenden Menschen bis 2015 halbiert werden. Eine ambitionierte Absicht. Ich bin jedoch überzeugt: Die Millenniumsziele werden nicht erreicht werden. Und zwar deshalb nicht, weil die Lenker reicher Staaten nicht bereit sind, die entscheidenden Rahmenbedingungen der Welt zu ändern. Es gibt kein Bemühen, die WTO und die internationalen Finanzinstitutionen zu demokratisieren und von ihren Heilslehren abzubringen, mit denen sie die Schere zwischen Arm und Reich ständig vergrößern. Es gibt kaum Willen, den „Entwicklungsländern“ den ungehinderten Zugang zu unseren Märkten zu eröffnen, die bei uns selbstverständliche Wertschöpfung für Exportprodukte auch für den Süden zuzulassen. Es gibt keinen Willen, die multinationalen Unternehmen zu angemessenen Sozial- und Steuerleistungen in den Ländern zu veranlassen, in die sie ihre Produktion auslagern. Es gibt keinen Willen, faire Preise für Rohstoffe aus dem Süden zu etablieren … Es gibt viel zu tun für die EZA-Verantwortlichen rund um den Globus.
Ja, wir brauchen Boote, die trockene Sachen bringen. Riesige Dampfer wären wohl noch besser.
Helmut Adam