Wie das Patriarchat als Herrschaftsverhältnis in die Körper eingeschrieben wird, führt der pakistanische Filmemacher Saim Sadiq in „Joyland“ meisterhaft vor Augen.
In den Zwängen des Patriarchats ist niemand richtig frei und glücklich. Unter der zerstörerischen Gewalt leiden Frauen am allermeisten, aber selbst den Männern machen die überhöhten Vorstellungen von Männlichkeit zu schaffen, auch wenn sie gleichzeitig davon profitieren. Und dann sind da noch diejenigen, die im binären Geschlechtersystem nicht sein dürfen: trans Personen. Von unterdrückten Sehnsüchten, (Auf-)Begehren, gegenseitiger Überwachung und Transsexualität in einer islamischen Republik erzählt der pakistanische Filmemacher Saim Sadiq in seinem feingliedrigen Debüt „Joyland“.
Für die junge Mumtaz ist es das Wichtigste, dass sie auch nach der Heirat mit Haider ihrer Arbeit in einem Schönheitssalon nachgehen darf. Das wird ihr von der traditionellen pakistanischen Großfamilie aber nur so lange gewährt, bis ihr arbeitsloser Ehemann einen Job findet. Als Haider unverhofft als Backgroundtänzer in der burlesquen Show der schillernden trans Frau Biba anheuert, erzählt er der Familie, er sei dort als Theatermanager tätig.
Schrittweise schält er sich aus den einengenden Wohnverhältnissen im Mehrgenerationenhaushalt heraus und beginnt eine heimliche Liebesgeschichte mit der selbstbewussten und zugleich vulnerablen Biba. Für Mumtaz aber gibt es keinen Platz für sexuelle Selbstbestimmung. Unter den strengen Blicken des Schwiegervaters und des Schwagers wird sie zurück in die Abhängigkeit und Unsichtbarkeit gedrängt.
Geschlechterrollen in Frage stellen
Der Film spielt im dicht besiedelten Lahore, der mit geschätzten 14 Millionen Einwohner:innen zweitgrößten Stadt Pakistans. Dort wuchs auch Regisseur Sadiq auf. Er war, wie er gegenüber dem britischen Guardian sagt, ein „feminines Kind“ gewesen, das gerne Frauenkleider und Stöckelschuhe anprobierte. „Schon als Kind wusste ich, dass es eine ‚richtige‘ Art von Männlichkeit gibt, und ich wusste das, weil ich ihr nicht entsprach“, so Sadiq.
Wie trans Personen die rigiden Vorstellungen von Geschlecht in Frage stellen, faszinierte ihn schon lange. In Südasien werden sie als Hijra bezeichnet. Seit Jahrhunderten werden Hijra als mythische Wesen angesehen, die Geburten und Hochzeiten segnen sollen. Gleichzeitig werden sie aber auch von ihren Familien verstoßen. Viele trans Personen leben deshalb am Rande der Gesellschaft. Pakistan zählte zu den ersten Ländern, die 2011 ein drittes Geschlecht offiziell anerkannten.
Gegen Anstand und Moral
„Joyland“ war der erste pakistanische Film überhaupt, der bei den Filmfestspielen in Cannes 2022 gezeigt wurde. Er gewann gleich zwei Hauptpreise: den Preis der Jury in der Nebensektion Un Certain Regard und die Queer Palm. Der Film wurde von Pakistan auch als Beitrag für die Oscarverleihung 2023 als bester Internationaler Film eingereicht. In Pakistan selbst durfte er teilweise allerdings nicht gezeigt werden, weil er laut lokaler Behörden gegen „Anstand und Moral“ verstoße.
Der Film ist jetzt in den österreichischen Kinos zu sehen.
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