Fairer Handel sieht diesseits und jenseits des Atlantiks nicht gleich aus. Die Grundidee ist dieselbe. Und nur wenige wissen, dass Fairer Handel in den USA entstanden ist.
Aus einer Initiative der Mennonitischen Kirche nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelten sich die beiden ältesten US-amerikanischen alternativen Handelsorganisationen (ATOs) Ten Thousand Villages und SERRV International. Neben Handwerksprodukten gewann der Verkauf von Lebensmitteln rasch an Bedeutung. Equal Exchange beispielsweise spezialisierte sich auf Kaffee und hat sich vor allem in der Zeit des US-Embargos unter Präsident Reagan gegen das sandinistische Nicaragua in der alternativen Szene einen Namen gemacht. Café-Nica wurde über den Umweg einer holländischen ATO in die USA importiert. Zu dieser Zeit wurden in Europa bereits die ersten Fairtrade-Gütesiegel eingeführt. In den USA war fairer Kaffee erst 1998 in den Supermärkten erhältlich.
Mittlerweile hat sich TransFair USA zu einer Organisation mit 20 MitarbeiterInnen entwickelt, die in nur vier Jahren das Siegel für rund 10.500 Tonnen fair gehandelten Kaffee vergeben konnte. Durch enge Kooperation mit Menschenrechtsorganisationen und Aktivistengruppen, allen voran Global Exchange, gelang es, Multis wie Starbucks oder Dunkin’ Donuts zu verpflichten, einen Teil ihres Kaffees zu fairen Bedingungen zu importieren.
2002 wurde in den USA mit Fairtrade-Kaffee ein Umsatz von 131 Millionen US-Dollar erzielt, die restlichen Produkte (fast ausschließlich Handwerk) erzielten 49 Millionen Dollar. Der Versandhandel spielt in den USA eine sehr viel größere Rolle als in Europa, da hier die Weltläden flächendeckender vorhanden sind. Es hängt aber auch sehr von der ATO ab. Ten Thousand Villages (die mit Abstand größte) verkauft cirka 50% über den Großhandel (Partnerschaftsgeschäfte), mehr als 30% über eigene Geschäfte und den Rest über Versand und Aktionsgruppen. SERRV International, die zweitgrößte, verkauft 60% über Kirchen- und Aktionsgruppen und etwa 30% über den Versandhandel.
Vergleicht man TransFair USA mit europäischen Schwesterorganisationen (wie TransFair Deutschland oder Fairtrade Österreich) fallen zwei wesentliche Unterschiede auf: die Finanzierung der Organisation und die Intensität an Aktionismus und Voluntarismus. TransFair USA erhält keinerlei finanzielle Unterstützung der US-Regierung, wird vielmehr von Kirche(n) und privaten Stiftungen gesponsert. Im Büro von TransFair USA in Oakland (San Francisco) arbeiten mehr als fünfzehn Ehrenamtliche mit. Kein Tag vergeht, an dem nicht Organisationen oder Studentengruppen Aktionen durchführen (Protestbriefe, „Urgent Actions“ per E-Mail oder Fax, Boykottaufrufe, Kampagnen bis hin zu Besetzungen von Cafés). Durch den Druck von Studentenorganisationen schenken heute bereits über 300 Universitäten (Berkeley, Yale, Georgetown, Harvard usw.) fairen Kaffee aus. Auch große Unternehmen kommen durch diesen Aktionismus immer wieder unter Druck. Kürzlich hat der Multi Procter & Gamble zugestimmt, einen Teil seines Kaffees unter fairen Bedingungen zu importieren. Das ist zweifelsohne ein großer Erfolg, denn die beabsichtigte Importmenge entspricht etwa der Menge des gesamten in Österreich zertifizierten Fairtrade-Kaffees.
Bettina Schörgenhofer hat ihre Diplomarbeit zum Fairen Handel in den USA verfasst und arbeitet derzeit bei Fairtrade Österreich.