Er will nicht zuschauen, wie andere die Dinge zerstören. Der simbabwische Poet Chirikure Chirikure gab beim Internationalen Literaturfestival in Berlin eine starke Performance.
Mit einem üppigen Programm lud das Internationale Literaturfestival Berlin zu einer „literarischen Reise um die Welt“ ein: Autorinnen und Autoren aus zahlreichen Ländern stellten von 24. September bis 4. Oktober ihre jüngsten Werke vor. Einen besonderen Schwerpunkt bildete der „Fokus Afrika“. Namen wie Nuruddin Farah (Somalia), Henrietta Rose-Innes (Südafrika) und Alaa Al-Aswani (Ägypten) lockten eine Menge BesucherInnen an. Mit einem Gong und zu Akkordeonklängen wurde das Festival eröffnet. Musik und Literatur, als zwei universelle Sprachen, sollten sich während der Festtage stets gegenseitig begleiten. Die Kombination von Musik und Literatur ist auch zentraler Bestandteil im Werk von Chirikure Chirikure, einem der international bekanntesten Lyriker Simbabwes. Seine Gedichte präsentiert er bevorzugt zu den metallenen Klängen der Mbira, dem traditionellen Instrument der Shona.
„Wir werden keinen Augenblick schlafen, bevor wir nicht dieses Chaos aufgeräumt haben“, heißt es übersetzt in dem Gedicht Hakurarwi, das er beim Festival in überzeugtem Ton vortrug. „Wir können nicht bloß zusehen, während ihr die Dinge zerstört“, kritisiert er die politische Elite Simbabwes. Chirikures Literatur verbindet kulturelles Erbe mit aktuellen Themen. Das Shona – Sprache der gleichnamigen Volksgruppe – zieht er der Kolonialsprache Englisch vor, und ganz in der Tradition mündlicher Kultur rezitiert er seine Gedichte bei öffentlichen Auftritten im ganzen Land. „So erreichst du mehr Menschen“, meint der Dichter. Ihm ist es wichtig, dass seine Botschaften gehört werden, denn die Inhalte berichten kritisch und satirisch vom politischen Chaos und dem Leid der Menschen in Simbabwe. Chirikure selbst findet sich durch seine Arbeit großem politischen Druck ausgesetzt. „Anstatt dich direkt zu attackieren, versuchen sie über deine Familie Druck auszuüben, weil sie wissen, dass das dein wunder Punkt ist“, klagt der Autor und zweifache Vater. Drohanrufe und direkte Verbalangriffe gegenüber seiner Familie waren in der Vergangenheit nicht selten. Dennoch lässt sich der Künstler von seiner „Berufung“, wie er es nennt, nicht abhalten. „Es ist mehr als Kunst. Du trägst dazu bei, dein Land zu transformieren“, ist er überzeugt. Von direkter Zensur sind seine Bücher nicht betroffen, Radio- und Fernsehauftritte sind ihm allerdings verboten.
Die Zusammenarbeit mit anderen KünstlerInnen bestärkt Chirikure in seinem Tun: „Du weißt, dass du nicht nur eine einsame Stimme bist, sondern Teil einer Entwicklung. Man muss dem System und der Regierung zeigen: Ich gehöre hier her, weil ich hier geboren bin, und ich habe das Recht zu sagen, was ich zu sagen habe.“ Als Schriftsteller in Simbabwe steht Chirikure vor der Herausforderung, das richtige Gleichgewicht zwischen künstlerischer Qualität und gesellschaftspolitischem Anspruch zu finden. Kunst um der Kunst willen zu produzieren ist für ihn nicht möglich, denn das Umfeld lasse sich nicht ausblenden. Gleichzeitig betrachtet er seine öffentlichen Auftritte nicht als puren politischen Aktivismus: „Es ist mehr als Plakate zeichnen und Slogans skandieren. Mir ist es wichtig, dass Fragen aufgeworfen und diskutiert werden.“ Die Frage des Exils gehe Chirikure täglich durch den Kopf, gesteht er. Immerhin bieten sich ihm viele Möglichkeiten. Auch leben seine Frau und Teile seiner Familie im Ausland. Dennoch könne er es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren, Simbabwe zu verlassen: „Mein Herz liegt immer noch bei den Menschen.“
Chirikure Chirikure veröffentlichte insgesamt drei Gedichtbände: Rukuvhute (Die Nabelschnur), 1989 erschienen, sorgte zunächst nicht nur der Inhalte wegen für Aufsehen. Chirikure prägt einen Schreibstil, der sich an der traditionellen Erzählweise orientiert, und nicht an der englischen, viktorianischen Art, die als Erbe der Kolonialzeit in die Shona-Literatur Eingang gefunden hat. Die zweite Anthologie Chamupupuri (Der Wirbelsturm) erschien 1994 und Hakurarwi – We Shall Not Sleep (Wir werden nicht schlafen) 1998. 2002 veröffentlichte er mit seinem Ensemble DeteMbira das Album Napukeni (Die Windel), auf dem seine jüngsten Gedichte mit musikalischer Begleitung zu hören sind. Während die dritte Anthologie englische Übersetzungen enthält, finden sich keine Exemplare auf Deutsch. Doch Sprache alleine ist für Chirikure nicht entscheidend, um den anderen zu verstehen. Es gehe ihm auch um die Vermittlung von Kunst und Kultur. „In dem globalen Dorf, in dem wir leben, finden sich viele Gemeinsamkeiten“, meint er.
Rukuvhute. College Press, Harare, 1989
Chamupupuri. College Press, Harare, 1994
Hakurarwi – We Shall Not Sleep. Baobab, Harare, 1998
Napukeni (Album). Tuku Music/ZMC, Harare
Marina Wetzlmaier ist freie Journalistin und studiert Internationale Entwicklung und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Wien.