Der Kampf von Angolas Präsident João Lourenço gegen die Korruption hat neuen Schwung erhalten. Im Visier: Das mächtige Umfeld seines Vorgängers José Eduardo dos Santos.
Von François Misser
Politisches Erdbeben, kein Stein bleibt auf dem anderen – man könnte so viele Floskeln für die Situation im südafrikanischen Land anwenden. Das hat nicht zuletzt viel mit „Luanda Leaks“, den Enthüllungen des International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) Anfang des Jahres zu tun. Aber alles der Reihe nach.
José Eduardo dos Santos regierte das Land von 1979 bis 2017 autokratisch. Und baute dabei auf eine reiche Elite in seinem Umfeld.
Angola gilt als eines der korruptesten Länder der Welt. Im Korruptionswahrnehmungsindex der Organisation Transparency International nimmt es Platz 146 von 180 ein.
Wie diese Elite vom korrupten Dos-Santos-System profitierte, zeigt exemplarisch die Geschichte von Isabel dos Santos, der Tochter des Langzeitpräsidenten: Ihr Vater hievte sie in zahlreiche einflussreiche Posten. Isabel dos Santos ist laut dem US-Wirtschaftsmagazin Forbes mit einem Vermögen von 2,2 Mrd. US-Dollar die reichste Frau Afrikas.
João Lourenço will mit dem System Schluss machen: Seit seiner Amtsübernahme im September 2017 hat der Präsident Angolas (er kommt wie dos Santos von der Regierungspartei MPLA) eine Kampagne gegen Korruption geführt, die sich hauptsächlich auf die frühere Präsidentenfamilie konzentriert.
Durch die „Luanda Leaks“-Veröffentlichungen, die Anfang 2020 in renommierte internationale Medien wie dem britischen Guardian oder der Süddeutschen Zeitung Eingang fanden, bekam sein Kampf starken Rückenwind.
Aufräumen. Die Unternehmen in Isabel dos Santos‘ Geschäftsimperium erhielten von der Regierung Kredite, Aufträge und Lizenzen im Wert von mehreren Milliarden Dollar. Dazu gehören BANCO BIC, die größte angolanische Bank mit Aktiva von 4,2 Mrd. Dollar, das Telekom-Unternehmen Unitel, eine Supermarktkette, ein Zementhersteller und ein TV-Unternehmen.
Nachdem die Justiz Hinweise auf mutmaßlich illegale Transaktionen beim staatlichen Ölunternehmen Sonangol erhalten hatte, wurden im Dezember 2019 ihre angolanischen Vermögenswerte eingefroren.
Gegen sie selbst wurde Anklage u.a. wegen Geldwäsche und Dokumentenfälschung erhoben. Laut der Anklage schulden dos Santos, ihr Ehemann Sindika Dokolo und einer ihrer Geschäftspartner der Regierung Angolas insgesamt 1,1 Mrd. Dollar. Die sollen nun eingetrieben werden.
François Misser ist freier Journalist aus Belgien mit Fokus auf Afrika.
Luanda Leaks: www.icij.org/investigations/luanda-leaks
Der Fall Isabel dos Santos hat weiterreichende politische Folgen: Neben ihrem Bruder, José Filomeno, könnte auch Ex-Langzeitpräsident José Eduardo dos Santos ins Visier geraten. In der gerichtlichen Anordnung der Beschlagnahme der Vermögenswerte seiner Tochter wird auch er belangt.
Interessenkonflikte. Manche befürchten eine Krise innerhalb der MPLA: Es könnte zu einem Konflikt zwischen jenen kommen, die sich für einen Schutz von José Eduardo dos Santos aussprechen – um „Schaden für das Image Angolas“ zu vermeiden, wie sie argumentieren – und anderen, die eine Ausweitung der Untersuchungen befürworten.
Auch andere Köpfe rollen: So geht es Bento dos Santos juristisch an den Kragen, der „Abramowitsch“ Angolas genannt wird, nach dem prominenten russischen Oligarchen und Besitzer des Fußballklubs Chelsea London, Roman Abramowitsch.
Bento dos Santos ist Eigentümer des Fußballclubs Kabuscorp do Palanca aus Angolas Hauptstadt Luanda. Und er ist mit José Eduardos Nichte, Avelina dos Santos, verheiratet.
Bereits im Oktober hatte ein Gericht die Beschlagnahme seiner Vermögenswerte im Immobilien- und Diamantengeschäft angeordnet. Am 3. März wurde er festgenommen, nachdem er versucht hatte, über die Grenze nach Namibia zu fliehen. Er wurde wegen Betrugs angeklagt.
Geld dringend benötigt. Präsident Lourenço steht allerdings unter enormem Druck: Die Wirtschaft des Landes steckte schon vor Corona-Zeiten in der Krise.
Durch den dramatischen Verfall des Ölpreises – von 60 Dollar pro Barrel im Dezember auf nur mehr 20 Dollar Ende März – hat sich die Wirtschaftsmisere immer weiter zugespitzt. Mit Erdöl erzielt Angola 95 Prozent seiner Exporterlöse. Angola droht sogar die Zahlungsunfähigkeit.
Ziel von Lourenço ist es, an das vom Dos-Santos-Clan in Steueroasen verschobene Geld heranzukommen und es zum Stopfen von Budgetlöchern zu verwenden.
Doch ein Zugriff auf die Vermögenswerte im Ausland dürfte schwierig sein. Laut „Luanda Leaks“ verteilt sich das Dos-Santos-Vermögen auf rund 400 Unternehmen in 94 Steueroasen in 41 Ländern.
Trotz Enthüllungen: Lourenços Mission scheint erst am Anfang zu stehen.
Berichte aus aller Welt: Lesen Sie das Südwind-Magazin in Print und Online!
Mit einem Förder-Abo finanzieren Sie den ermäßigten Abo-Tarif und ermöglichen so den Zugang zum Südwind-Magazin für mehr Menschen.
Jedes Förder-Abo ist automatisch ein Kombi-Abo.
Mit einem Solidaritäts-Abo unterstützen Sie unabhängigen Qualitätsjournalismus!
Jedes Soli-Abo ist automatisch ein Kombi-Abo.