Südafrikas Buchbranche erlebt eine Renaissance. Unter den Neuerscheinungen sind viele Werke, die auf aktuelle gesellschaftliche und politische Veränderungen Bezug nehmen.
Nach fast 50 Jahren Apartheid und kultureller Isolation blüht die Buchbranche in Südafrika langsam wieder auf. Am besten verkaufen sich wissenschaftliche und Schulbücher. Schließlich gibt es im Land am Kap etwas mehr als 500.000 Studierende und über zwölf Millionen Schulkinder. Doch auch politische Bücher sind beliebt. Auf der dritten internationalen Buchmesse in Kapstadt im Juni dieses Jahres stellten sie einen der Schwerpunkte dar. Vanessa Badroodien, Direktorin der Buchmesse, erklärt: „Es ist wichtig sich daran zu erinnern, dass wir vor dem Hintergrund lesen, sehr lange keinen Zugang zu vielen Dingen gehabt zu haben. Daher sind wir immer noch fasziniert, wie sich die Lage schließlich geändert hat und neugierig zu erfahren, was zur Zeit im Land passiert.“
Im kommenden Jahr finden in Südafrika Wahlen statt. Debatten zu gesellschaftlichen und politischen Veränderungen spiegeln sich auch im Programm großer Verlagshäuser wider. Xolela Mangcu, Kolumnist und Vorsitzender der Plattform „Public Deliberation“ an der Universität in Johannesburg, stellte auf der Kapstädter Buchmesse sein neues Buch „To the Brink: The State of Democracy in South Africa“ vor. Darin verteidigt er Demokratie, Toleranz und eine nicht-rassistische Zukunft für Südafrika und kritisiert u.a. neben der HIV/Aids-Politik und Korruption auch die Haltung Südafrikas zu Simbabwe. Mangcu ist der Meinung, dass Präsident Thabo Mbeki als Führer versagt und Simbabwe zu lange im Stich gelassen habe. „Je früher Mbeki geht, desto besser für das Land und die Region. Mbeki ist eine Niete, und Jacob Zuma, der ANC-Präsident, reist gerade durch die Welt; ich bin sicher, die Leute sind verwirrt, mit wem sie sprechen sollen, mit Mbeki oder mit Zuma. Wir haben zur Zeit zwei Machtzentren in Südafrika, und das ist für unsere Demokratie ungesund“, betont Mangcu.
Einer, der Thabo Mbeki gut kennt, ist der Journalist, Kolumnist und Autor Mark Gevisser. Neun Jahre hat er an seiner Mbeki-Biographie gearbeitet, die Ende letzten Jahres unter dem Titel „Thabo Mbeki: The Dream Deferred“ erschien. Gevisser sprach auf der Buchmesse über sein Werk: „Ich empfinde Empathie für Mbeki. Er hat sein Leben der Bewegung gewidmet, und diese Bewegung sagt jetzt: Wir wollen dich nicht mehr. Trotz seiner intellektuellen Brillanz ist es für ihn schwierig, eine Verbindung zu den Menschen herzustellen, die er repräsentiert. Wir leiden alle unter dieser Trennung.“ Gevisser betont, dass Thabo Mbeki nicht dafür verantwortlich sei, was zur Zeit in Simbabwe geschehe. Aber er habe die Situation mit seinem unakzeptablen Benehmen verschlimmert.
Christie van der Westhuizen, politische Journalistin und Autorin, untersucht in ihrem neuen Buch „White Power“ Aufstieg und Fall der National Party, die das Land während der Apartheid regierte. Dabei geht sie den Fragen nach, warum es weißen SüdafrikanerInnen heute wirtschaftlich besser geht als vor zehn Jahren und wie sie stets die ungeheuren Ungerechtigkeiten an Schwarzen verleugnen konnten. Weiße Macht, sagt die Autorin, sei eng verbunden mit weißem Rassismus. Mit dem Beginn der Demokratie 1994 sei Rassismus nicht einfach verschwunden, sondern untergetaucht. „Weißer Rassismus steht der Entwicklung der Schwarzen im Weg. Es geht um die Angst, weiße Privilegien und weiße Macht zu verlieren. Anfang der 1990er Jahre haben Weiße zum Teil deshalb ihre politische Macht aufgegeben, weil ihnen wirtschaftliche Macht versprochen wurde.“
In einem Land, in dem weltweit die größte Kluft zwischen Arm und Reich herrscht, ist die Rolle der öffentlichen Büchereien umso wichtiger. Eine ausgeprägte Lesekultur existiert nicht. Einer der Gründe dafür liegt in der niedrigen Bildungsrate der Bevölkerung, wofür u.a. die Apartheidsgeschichte verantwortlich ist. Viele Familien können es sich außerdem nicht leisten, Bücher zu kaufen. Für die meisten Kinder sind Schulbücher die ersten Bücher, die sie besitzen. Doch die verwandeln Kinder und Jugendliche nur selten in begeisterte Leseratten.
In ländlichen Gegenden existieren oft gar keine Büchereien oder sie sind schlecht ausgestattet. Die südafrikanische Regierung weiß um die Missstände und will innerhalb von drei Jahren öffentliche Büchereien im ganzen Land mit etwa einer Milliarde Rand, umgerechnet rund 87 Millionen Euro, unterstützen. In der Region Western Cape wurden in den Grundschulen außerdem 30 Minuten pro Tag fürs Lesen in den Stundenplan integriert. Mit der richtigen Mixtur aus Politik und Praxis will Südafrika seine Lesekultur in Zukunft ausbauen und damit Wissensbildung und stärkeres Selbstbewusstsein seiner Menschen fördern.
Die Autorin ist Print-und Hörfunk-Journalistin und Dozentin für Journalisten-Fortbildungen. Sie lebt in Kapstadt.