Politischer Tiefschlaf

Von Dominic Johnson · · 2014/05

Drei Jahre nach dem Ende des Bürgerkrieges in der Elfenbeinküste lassen die politischen Maßnahmen, die möglichen neuen Konflikte entgegen arbeiten würden, weiter auf sich warten.

Vor drei Jahren ging der Bürgerkrieg in der Elfenbeinküste zu Ende. Das einst wichtigste Land des frankophonen Afrika wollte endlich gesunden. 3.000 Tote, Krieg mit schwerer Artillerie und Luftangriffen mitten in der Metropole Abidjan und schließlich am 11. April 2011 die spektakuläre Verhaftung des Expräsidenten Laurent Gbagbo im Bunker seiner Residenz. Noch dazu durch Kämpfer des gewählten Staatschefs Alassane Ouattara unter Schutz französischer Spezialeinheiten – als letzter Akt eines mehr als zehn Jahre währenden Konflikts. Der langjährige Oppositionsführer Ouattara hatte die als Abschluss eines Friedensprozesses gedachten Präsidentschaftswahlen vom Dezember 2010 gewonnen, musste seinen Wahlsieg dann allerdings mit militärischen Mitteln gegen Gbagbo durchsetzen. Damals versprach er ein neues Kapitel in der Geschichte des Landes: „Heute öffnet sich eine weiße Seite vor uns – weiß wie das Weiß unserer Flagge, Symbol der Hoffnung und des Friedens.“

Drei Jahre später herrscht tatsächlich Frieden. Versprengte nach Ghana und Togo geflohene Gbagbo-AnhängerInnen haben keinen neuen bewaffneten Konflikt anzetteln können; einige Versuche, durch Anschläge und Überfälle in Abidjan Unsicherheit zu erzeugen, sind mangels Rückhalt in der Bevölkerung gescheitert. Auch die Aktivitäten der vielen irregulären Milizen vor allem im Westen des Landes nahe der Grenze zu Liberia haben zwar lokal weiter Instabilität am Leben gehalten, aber keine größere Krise verursacht.

Aber politisch befindet sich die Elfenbeinküste im Tiefschlaf. Die Aufarbeitung der Kriegsverbrechen kommt kaum voran: Verbrechen der einstigen Ouattara-treuen Kämpfer sind kein Thema für die Justiz, und aus Rücksicht auf die Stabilität werden auch Verbrechen der Gbagbo-treuen Kämpfer nur zaghaft verfolgt. Eine Nationale Versöhnungskommission ist zwar eingesetzt, aber ihre Arbeit bleibt unsichtbar.

Die internationale Justiz ist dafür kein Ersatz. Expräsident Gbagbo sitzt zwar seit November 2011 in Gewahrsam des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag. Das Vorverfahren gegen ihn (bei dem über die Eröffnung der Hauptverhandlung entschieden werden soll) wurde allerdings mehrfach verschoben und im Juni 2013 auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Sein ehemals wichtigster Jugendmilizenführer Charles Blé Goudé wurde im März 2014 nach Den Haag überstellt – als Folge zog sich Gbagbos Partei FPI (Ivorische Volksfront) aus Vorgesprächen über einen politischen Versöhnungsprozess in der Elfenbeinküste zurück.

Die Volkszählung im Hinblick auf die kommenden Wahlen ab Oktober 2015 boykottiert die FPI ohnehin bereits. Ohne eine Volkszählung und eine Neuregistrierung der WählerInnen aber könnten die nächsten Wahlen genauso umstritten sein wie die letzten –die in den Krieg führten. Viel wird von der Wahlkommission abhängen, an deren Arbeit sich schon der letzte Wahlstreit entzündete. Die Regierung Ouattara hatte eine neue Wahlkommission gebildet, deren Zusammensetzung aber sogar von der UNO als unausgewogen kritisiert wurde. Immerhin hat die Regierung jetzt eine grundlegende Reform der Wahlkommission verkündet und verspricht, dass bis Jahresende die politischen Probleme der Wahlvorbereitung gelöst werden.

Doch der Eindruck, das Land lasse sich politisch vor sich hin treiben, bleibt bestehen – nicht zuletzt, weil Präsident Ouattara längst nicht mehr so aktiv zupackt wie früher. Im Februar musste er sich einer schwierigen Operation in Paris unterziehen. Seitdem verbringt er seine Zeit vor allem damit, neugierige Emissäre zu empfangen, die ihm Genesungswünsche übermitteln.

Politische Fragen sind für Ouattara, der seine Karriere als Technokrat und Finanzexperte gemacht hat, ohnehin zweitrangig gegenüber der Ökonomie.

In seiner Neujahrsrede 2014 verwies Ouattara vor allem auf geplante Errungenschaften wie neue Autobahnen, mehr Trinkwasser, mehr Wohnungen. Nur kurz streifte der Präsident die Politik. Und er rühmte sich, die innere Sicherheit habe sich – auf einer nicht näher definierten Skala – von 3,8 auf 1,3 verbessert.

So spricht kein Präsident, der die Herzen der Menschen erreichen will. Die Zeitungen widmen sich derweilen der Straßenkriminalität und dem Ebola-Virus im Nachbarland Guinea. Und am Jahrestag der Gbagbo-Verhaftung am 11. April veröffentlichte die führende Nachrichtenwebseite im Land, abidjan.net, als „ivorisches Sprichwort“ den Satz: „Der Hahn hält den Hühnerstall für einen Palast auch dann, wenn er stinkt.“

Dominic Johnson ist Afrika-Redakteur und Leiter des Auslandsressorts der taz.

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