Streng genommen hätten wir dieses Thema nicht mit „Slums“ betiteln dürfen. Doch den passenden Begriff für das, worum es auf den folgenden Seiten geht, gibt es in unserer Sprache (noch) nicht.
„Sqatter Town“ lautet der Übertitel bei unserer Partnerzeitschrift New Internationalist, von der wir das Thema übernommen haben. Mit „Squatter“ sind jedoch alle SiedlerInnen gemeint, deren Wohnverhältnisse nicht durch einen schriftlichen Rechtstitel gesichert sind. Diese müssen nicht unbedingt elend und heruntergekommen sein, wie wir es mit dem Begriff „Slum“ üblicherweise verbinden. Die Wissenschaft spricht – wertneutral – von „informellen Siedlungen“.
Wir erlauben uns hier, alle diese Aspekte unter dem Begriff „Slum“ zu subsumieren.
Dabei sind wir nicht in schlechter Gesellschaft: In den Millenniums-Entwicklungszielen (MDGs) der Vereinten Nationen ist von der Verbesserung der Lebenssituation von mindestens 100 Millionen SlumbewohnerInnen bis zum Jahr 2020 die Rede (Ziel 7).
Slums/Squatter- oder informelle Siedlungen sind ein Grundproblem der modernen Megastädte. Diese ziehen immer mehr MigrantInnen auf der Suche nach einem besseren Leben aus den ländlichen Gebieten an. In den Städten fehlt Wohnraum, den sie sich als Arbeitslose oder Billigstarbeitskräfte auch leisten können. Also siedeln sie sich an, wo schon andere Arme leben, oder dort, wo kein Wohlhabender hin will: an Bahndämmen, neben Kanälen; unter Brücken oder neben Autobahnen. Bis zum Jahr 2030 werden voraussichtlich zwei Milliarden Menschen in Slums leben.
Es ist nichts Romantisches an einem Slum. Die Ärmsten einer Gesellschaft sind immer auch die Verletzbarsten – etwa durch Zwangsräumung ihrer Siedlungen. Doch in den Slums nur Elend und Anarchie zu vermuten, ist ein grundlegendes Missverständnis von Außenstehenden. In den Slums wird gebaut, gestaltet, verbessert, gelebt, gefeiert und nicht nur gelitten. Verbesserungsvorschläge von außen gehen ins Leere, es sind die BewohnerInnen der Armensiedlungen selbst, die ihre Lebenssituation verbessern können. Bei ihnen und ihrer Vitalität anzusetzen, ist eine der Hauptforderungen, die sich aus einer Beschäftigung mit dem Thema ergeben.