Palmöl, omnipräsent in unzähligen Produkten, kämpft seit medienwirksamen Kampagnen von Umweltschutzorganisationen mit einem schlechten Ruf. Das soll sich nun ändern. Ob es sich um Schritte zur Nachhaltigkeit oder bloße Image-Politur handelt, ist umstritten.
Sie sind mit Trillerpfeifen, Putzeimern und Schwämmen gekommen, ein Aktivist im Orang-Utan-Kostüm hält ein Schild in die Höhe. Darauf steht: „Mir qualmt der Pelz. Stopp Brandrodung“. Immer wieder fällt Nieselregen vom grauen Himmel. An diesem Nachmittag haben sich rund 50 Mitglieder deutscher und indonesischer Nichtregierungsorganisationen vor der Zentrale der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Berlin versammelt, um gegen die Gründung des Forums Nachhaltiges Palmöl zu protestieren – ein Zusammenschluss von Unternehmen, die in Österreich, der Schweiz und Deutschland Palmöl verarbeiten oder verkaufen. Nachhaltigkeit, so die Botschaft der Protestierenden, passe nicht zu einer Industrie, die Urwälder in den Tropengürteln der Erde abholzen lässt. „Wo Regenwald zerstört wird, da kann man keine Siegel für Nachhaltigkeit vergeben“, beschwert sich Hedwig Zobel von der NGO Rettet den Regenwald. „Das ist widersprüchlich und nichts anderes als ‚Greenwashing‘.“
In Österreich sind Proteste gegen Palmöl vor allem wegen seines Anteils in Treibstoffen bekannt. Weltweit geht aber etwa 90 Prozent in die Lebensmittel- und Kosmetikindustrie. Palmöl ist nach Branchenauskunft in 50 Prozent aller Supermarktprodukte zu finden: in Fertigsuppen, Schokoriegeln, Margarine, Kosmetika und Reinigungsmitteln. Mit 50 Millionen Tonnen 2012 ist es das meist verbrauchte Pflanzenfett der Welt, vor Soja und Raps. Zwei Drittel stammen aus Indonesien und Malaysia.
Das Forum will nun dazu beitragen, dass seine Mitglieder ab 2014 nur noch nachhaltig zertifiziertes Palmöl einsetzen. In Österreich sind es bisher kaum mehr als 20 bis 30 Prozent. Das Paradoxe: es gibt mit rund 7,5 Millionen Tonnen bereits reichlich zertifizierte Ware. Davon werden aber nur 50 Prozent verkauft. Der Rest geht nach Auskunft des Forums mangels Interesse als herkömmliches Palmöl ohne Zertifikat über den Ladentisch.
Dass die Nachfrage bisher gering ist, ist auf ein Grundproblem zurück zu führen: Ölpalmen wachsen weltweit fast ausschließlich auf Flächen, auf denen einst Regenwald stand. Das macht das Thema Nachhaltigkeit per se schwierig. Die existierenden Siegel unterscheiden sich etwa in der Frage, wie lange die Abholzung her ist. Das meist verbreitete Zertifikat ist das der Nachhaltigkeitsorganisation der Palmölindustrie RSPO (Roundtable on sustainable palmoil). Sie verleiht ihr Gütesiegel an Plantagen, für die der Regenwald schon vor 2007 gerodet wurde. Doch obwohl das Siegel seit Jahren auf vielen Produkten prangt, räumt RSPO-Präsident und Unilever-Manager Jan Kees Vis ein: „Bisher kann man vor Ort keine Effekte sehen.“ Im Gegenteil: nach Auskunft der Umweltschutzorganisation Greenpeace war von 2009 bis 2011 keine Branche stärker an der Abholzung von Regenwäldern in Indonesien beteiligt als die Palmölindustrie. Ein bedeutender Teil fiel dabei in den Verantwortungsbereich von Firmen, die das RSPO-Siegel in Anspruch nehmen, wie etwa die in Singapur ansässige Wilmar International. Den Unternehmen konnte Greenpeace auch Brandstiftung nachweisen. RSPO-Chef Vis weiß, dass es schwarze Schafe gibt, die das Siegel missbrauchen, will die Firmen aber nicht aus der Organisation ausschließen. „Das ist eine Gratwanderung, aber wir wollen die Unternehmen dazu bewegen, sich künftig anders zu verhalten.“
Die Probleme rund um die Palmöl-Produktion sind groß. So schwelen in Indonesien nach Aussage der NGO Watch Indonesia rund 7.000 ungeklärte Landkonflikte zwischen Palmölfirmen auf der einen sowie Indigenen und Bäuerinnen und Bauern auf der anderen Seite. Der Druck auf die Wälder lässt nicht nach. „Für zivilgesellschaftliche Organisationen ist es kaum möglich, mit dieser Geschwindigkeit der Expansion und den vielen Fällen von auftretenden Menschenrechtsverletzungen mitzuhalten“, sagt Watch Indonesia-Vertreterin Adriana Sri Adhiati. „Die Menschen in Europa würden sich natürlich besser fühlen, wenn sie ein zertifiziertes Produkt kaufen können. Wenn es aber auf Kosten der Lebensumstände anderer Menschen gewonnen wird, ist das nicht nachhaltig. Nachhaltigkeit heißt Fairness und muss die Fragen nach Gerechtigkeit beantworten.“
Das Forum Nachhaltiges Palmöl stellt nach Ansicht der NGOs eine ungenügende Antwort auf die massiven Probleme dar. Es ist nicht nur die Sorge um die Regenwälder, die die Palmöl verwendende Industrie in Europa umtreibt. Ab Ende 2014 gilt eine neue EU-Richtlinie zur Kennzeichnungspflicht von Lebensmitteln. Die Firmen müssen dann auf den Verpackungen angeben, welche Pflanzenöle genau in ihren Produkten stecken. Bisher reicht es, wenn allgemein von „pflanzlichen Ölen“ die Rede ist. Künftig wird für KonsumentInnen in Europa sofort ersichtlich sein, welche Produkte Palmöl enthalten. Da kommt ein schlechtes Image nicht besonders gelegen.
Oliver Ristau ist Autor und Politologe. Er schreibt seit mehr als 15 Jahren über Menschen und Natur, Umwelt, Finanzen und Politik.
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