Dass alles schlecht sein soll am Internet und der digitalen Welt, das konnte Heinz nie glauben. Auch wenn jetzt so getan wird, als sei das alles nur mehr zum Vorteil für große Konzerne und Geheimdienste. Zeigt nicht die tägliche Praxis als Journalist, als aktiver Zeitgenosse, die vielen Vorteile des Netzes?
Seit ein paar Tagen ist Heinz misstrauisch. Nun gut, dass man auf Facebook immer von jungen russischen Frauen kontaktiert wird, ist er gewöhnt: „Ich dich kennen viele Jahre, gutes Freundschaft und oft denken an viele Zeit.“ Hätte man beim Geschlecht halt neutral angeben müssen. Und auch diese E-Mails aus Nigeria kennt Heinz: „Eine Verstorbene, … vergessene Erbschaft, nur 5.000 Dollar einzahlen und schon gemeinsames Geschäft von zwei Millionen … ganz sicher.“
Was ihn aber derzeit stutzig macht, ist das Zusammenfallen der Ereignisse. Heinz bestellte bei einem alternativen Internet-Buchhändler ein Buch über Artensterben. Danach erschienen überall Werbeanzeigen für Särge und Urnen. Wieso? Er informierte sich auf der Website eines alternativen Stromanbieters über die Möglichkeit, den Anbieter zu wechseln. Und genau ab diesem Zeitpunkt war die Straßenbeleuchtungs-Lampe vor seinem Haus dunkel. Zufall? Er unterschrieb eine Petition gegen das Schmelzen der Arktis und am nächsten Tag war der Kühlschrank leer. So was kann vorkommen???
Das Frühstücks-Müsli lässt sich Heinz per Internet kommen. Er hat gelesen, dass in vielen Produkten Plastik enthalten ist, das der Mensch aufnimmt. Seit er das weiß, kommen ihm die Dinkelpops ganz eigenartig vor. Sind das kleine Kameras? Oder vielleicht sogar Mini-Chips, die meine Gesundheitsdaten an eine Organisation weitergeben, die dann berechnen kann, wie lange ich noch Pensionsversicherung einzahlen kann? Und ganz seltsam: Am gleichen Tag, an dem er gegen dieses TTIP-Abkommen unterschrieben hat, ignorierte ihn auf der Straße ein ehemaliger Arbeitskollege.
Und heute am Abend ist dieses Treffen vom Club der Fortschrittsoptimisten. Heinz ist dort Mitglied und soll ein Referat halten, über die positiven Seiten des Internets: Die Verschwisterung aller Menschen, die Möglichkeit kleiner NGOs, Informationen in die ganze Welt hinauszuposaunen, das Zusammenwachsen des Planeten zu einem Dorf. „Aber“, so fragte sich Heinz, „was ist, wenn die dort auch schon meine Daten haben und wissen: Der hat Paranoia!“ Keine Sorge, Heinz, diese Daten hat nur der Reporter des Wahnsinns!
Georg Bauernfeind ist Kabarettist und Publizist in Wien.
Programm und Termine auf www.georg-bauernfeind.at
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