Fluten, Überschwemmungen und ein bisschen Corona: die aktuelle Situation in Ostafrika.
Von Simone Schlindwein, Kigali (Ruanda)
In Ostafrika haben die Menschen neben der Corona-Krise noch gewaltigere Sorgen: Dort steht den Anwohnerinnen und Anwohnern rund um den Victoria-See das Wasser bis zum Hals. Der Wasserstand des größten Binnensees des Kontinents hat nun das historische Rekordhoch von knapp 13,5 Meter über dem Normalpegel erreicht.
Die Folge: Inseln gehen unter, ganze Fischerdörfer entlang des Ufers sind überschwemmt, Häuser und Äcker zerstört. Allein Ruandas Ministerium für Notfall- und Katastrophenschutz meldet 65 Tote durch Erdrutsche und Fluten, in Kenia wurden bis zu 200 Todesopfer und über 100.000 zerstörte Häuser gemeldet. In Uganda sind die Todeszahlen unbekannt, weil ganze Dörfer davongespült werden. Insgesamt wurden in den Ländern rund um den See in den vergangenen Wochen rund 32.000 Menschen vertrieben, sie leben nun in Lagern unter schlimmen Bedingungen.
Der Grund für die Überschwemmung: Der Abfluss in den Nil ist verstopft – durch den Morast von schwimmenden Inseln, die sich vom Festland gelöst haben. Dies lässt den Wasserstand stetig weiter steigen. Dies ist eine Langzeitfolge von starken Regenfällen, die seit Anfang 2019 die ganze Region des Victoriabeckens heimsuchen. Entspannung ist nicht in Sicht: Für Juni sind in der ganzen subtropischen Region rund um den Äquator weitere starke Regenfälle angekündigt.
Das Problem wurde von Ugandas Regierung zur absoluten Priorität erklärt. Wasserminister Sam Cheptoris warnt vor „möglichen Krankheiten im Zusammenhang mit Wasser wie Cholera, Durchfall, Malaria und Bilharziose, die nun wahrscheinlich zunehmen werden“.
Hunger-Krise. Das UN-Welternährungsprogramm (WFP) betrachtet die Lage mit Sorge. Durch die Corona-Krise sind laut WFP-Angaben ohnehin über 20 Millionen Menschen in der Region von Hunger betroffen. Viele haben ihr Einkommen verloren, weil die Wirtschaft brach liegt, und können ihre Kinder nicht mehr ausreichend ernähren.
Selbst zum Markt darf man in Uganda nur zu Fuß gehen. Seit Wochen schlafen Marktfrauen deswegen unter ihren Gemüseständen, um überhaupt etwas verkaufen zu können. Bereits die Heuschreckenplage, die sich seit Anfang des Jahres in ganz Ostafrika breit machte, hat einen Großteil der Frühjahrsernte zerstört. Ernteausfälle durch Fluten könne diese Krise verschärfen.
In Anbetracht dessen wirken die Covid-19-Fälle in der Region wie eine Nebensache. In Uganda und Ruanda sind jeweils gerade einmal knapp 300 Fälle registriert, in Kenia und Tansania und der Demokratischen Republik Kongo schnellen die Zahlen derzeit aber exponentiell in die Höhe: Es sind schon knapp tausend in allen drei Ländern. In Burundi wird aufgrund der mangelnden Kapazitäten fast gar nicht getestet, dort sind bloß rund 40 Fälle bestätigt.
In Ruanda und Uganda sind seit über acht Wochen die Grenzen und auch die Flughäfen für den Personenverkehr gesperrt. Seit zwei Wochen werden nun kaum mehr interne Übertragungen verzeichnet. Das Virus wird vor allem von LKW-Fahrern über die Grenzen hinweg verbreitet. Doch die Binnenländer sind wirtschaftlich vom Güterverkehr per Lastwagen abhängig: Die Importwaren landen aus Übersee in Containerschiffen an den Ozeanhäfen Mombasa in Kenia sowie Daressalam in Tansania und werden dann per LKW ins Innere des Kontinents transportiert: nach Ruanda, Burundi, Ostkongo, Uganda und Südsudan. So breitet sich das Corona-Virus nun weiter aus.
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