Ohne Österreich

Von Stefan Brocza · · 2014/04

Im Entwicklungsausschuss des Europäischen Parlaments wird die EU-Entwicklungszusammenarbeit gelenkt. Österreich ist darin nicht vertreten.

Vom 22. bis 25. Mai 2014 wählen die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union zum achten Mal das Europäische Parlament. Wie wichtig ist das Thema Entwicklungszusammenarbeit im direkt gewählten Organ der Europäischen Union? Das Europaparlament verfügt über 20 permanente Ausschüsse. Einer davon ist der Entwicklungsausschuss. Hier werden Gesetzesvorschläge diskutiert, Stellungnahmen erarbeitet und alle für den jeweiligen Politikbereich relevanten Themen behandelt. Er besteht aus insgesamt 30 ordentlichen sowie weiteren 30 stellvertretenden Mitgliedern.

Der Aufgabenbereich des Ausschusses ist breit: Lenkung der EU-Entwicklungszusammenarbeit, Budgetüberwachung, Demokratie- und Menschenrechtsförderung, Verbesserung der Beziehungen zu den Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifiks (AKP-Staaten), Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele, Bereitstellung von humanitärer Hilfe in Notsituationen sowie den Europäischen Konsens über die Entwicklungspolitik vorantreiben. Des Weiteren geht es darum, den Handel der EU mit Entwicklungsländern, AKP-Staaten und Ländern des Mittelmeerraums zu überprüfen und das Budget der EU in den Bereichen humanitäre Hilfe und Menschenrechtsförderung sowie nachhaltige Entwicklung zu kontrollieren.

Bei der Auswahl, welche Abgeordneten im Entwicklungsausschuss vertreten sind, wird – neben den persönlichen Interessengebieten der Abgeordneten – berücksichtigt, dass der Ausschuss in Hinblick auf Parteien und Nationalitäten mehr oder weniger die Zusammensetzung des Gesamtparlaments widerspiegelt. Allerdings: Österreicherinnen oder Österreicher finden sich unter den 60 Europaabgeordneten im Ausschuss gar keine.

Sechs der 16 Staaten, die Mitglieder in den Entwicklungsausschuss entsenden, haben insgesamt weniger Abgeordnete im Europäischen Parlament als Österreich. Wieso ist Österreich also im Entwicklungsausschuss nicht vertreten? Hat niemand der aktuell 19 österreichischen Abgeordneten ein Interesse, europäische Entwicklungspolitik mitzugestalten?

Nachfragen des Südwind-Magazins haben ergeben: Selbst langjährige Kennerinnen und Kenner der österreichischen Entwicklungsszene zeigen sich mehr als erstaunt darüber. „Das muss unbedingt geändert werden“, meint eine Mitarbeiterin der entwicklungspolitischen Sektion im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (BmeiA), die ihren Namen lieber nicht in einer Zeitung lesen will.

Michael Obrovsky, Leiter des Bereichs Wissenschaft & Forschung der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE), hat eine mögliche Erklärung: „Das Fehlen von österreichischen Abgeordneten im Ausschuss hängt wohl auch damit zusammen, dass die österreichischen EU-Parlamentarier wissen, dass Österreich hier nicht wirklich mit Forderungen, Vorschlägen, Inputs und Expertise kommen kann, da wir keine Entwicklungszusammenarbeits-Performance haben.“ Nachsatz von Obrovsky: „Das heißt wir werden eh nicht ernst genommen.“

Darüber hinaus seien die Themen für die Abgeordneten komplex – und unattraktiv, so der Wissenschaftler. „Die sind mit EU-Entwicklungspolitik überfordert, da gibt es eine Handvoll Leute in Österreich, die sich damit auseinandersetzen“, so Obrovsky. Und er ergänzt: „Es gibt hierzulande weder eine Diskussion über das Thema noch eine kohärente Position der Regierung. Bevor man da zwischen den Sesseln sitzt, ist man lieber gar nicht dabei, denn die Entwicklungspolitik ist auch EU-intern keine Top-Agenda.“

Einige Staaten haben übrigens ein besonders großes Interesse am Entwicklungsausschuss: Staaten mit einer langen kolonialen Vergangenheit dominieren den Ausschuss. Deutlich überproportional zu ihrer Gesamtzahl im Europaparlament sind Frankreich und Großbritannien vertreten.

Und wie engagiert sind die Abgeordneten im Entwicklungsausschuss? Dazu kann man dank der Diplomarbeit von Johanna Gärtner an der Universität Wien (2014) mehr sagen. Die Absolventin der Internationalen Entwicklung kommt zum Schluss, dass die Performance vieler Abgeordneter innerhalb und außerhalb des Ausschusses nicht überzeugt. Vor allem Transparenz und die Bereitschaft, Information bereitzustellen, seien zu selten gegeben. 

Stefan Brocza ist Experte für Europarecht und internationale Angelegenheiten. Er lehrt an den Universitäten Wien und Salzburg.

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