Ohne Feuer und Schwert

Buchtipps für alle, die tiefer in die Materie „Islam“ eindringen wollen. Gudrun Harrer

In den vergangenen Jahren reflektierte die Zunahme von Publikationen das wachsende Interesse am Islam und an der islamischen Welt; seit dem 11. September 2001 scheint der Buchmarkt diesbezüglich außer Kontrolle geraten. Wer immer Einschlägiges in der Pipeline hatte, kam damit auf den Markt, Schnellschüsse unterschiedlichster Qualität lande(te)n auf dem Schreibtisch der Rezensentin. Eigentlich müsste man ebenso viele Warnungen wie Empfehlungen aussprechen.
Wer nicht prinzipiell über Islam bei einem islamischen Autor lesen will – das ist wieder eine andere Geschichte –, geht bei der Suche nach einem brauchbaren Islam-Buch am besten so vor, dass er auf den Autor schaut: Etliche Islamwissenschaftler (ältere wie der Koranübersetzer Rudi Paret und jüngere wie Hartmut Bobzin) haben über die Jahre kleinere und größere Bände zu Islam oder Koran herausgegeben; und man wird einmal davon ausgehen können, dass sie keinen Unfug verbreiten. In den wichtigsten Dingen ist sich die westliche Islamforschung einig – bis auf ein paar Ausreißer (etwa zur Kompilationsgeschichte des Koran).
Wer speziell etwas über die Schia wissen möchte, sollte auf Heinz Halms prägnante Einführung nicht verzichten, auch wenn sie nicht gerade leicht lesbar ist. Wie ja die fachliche Kompetenz überhaupt nichts über die schreiberischen Fähigkeiten aussagt; aber auch in der Orientalistik hat sich herumgesprochen, dass Wissenschaftliches nicht unverständlich und langweilig sein muss.

Für die KonsumentInnen wird eine Behandlung der „islamischen Welt“ aber wahrscheinlich nützlicher sein als nur eine der Religion. Ursprünglich hatte ich vor, eine prinzipielle Warnung vor allen Büchern auszusprechen, die „Allah“, „Schwert“ und „Feuer“ im Titel führen, kann sie aber für „Allah“ nur bedingt durchhalten. Die Verbeugung vor dem reißerischen Geschmack, den die LeserInnen angeblich haben, lässt Titel wie „Die Stimme Allahs“ boomen; dahinter verbirgt sich in einem erst kürzlich erschienenen Band des Religionswissenschaftlers Karl Prenner eine durchaus brauchbare Einführung in Religion und Kultur. Auch ein Buch des oft als „großer alter Mann der Orientalistik“ zitierten Bernard Lewis heißt übrigens in der Übersetzung „Der Atem Allahs“. Lewis ist allgemein, aber besonders zu den Ost-West-Beziehungen zu empfehlen, hier überwiegt die historische Komponente. Eine Gesamt-„Geschichte der islamischen Welt im 20. Jahrhundert“ versucht der Arabist Reinhard Schulze, nicht einfach, aber sehr, sehr gut. Noch viel gegenwartsorientierter ist der Blick des Politologen Volker Perthes in seinem Buch „Geheime Gärten. Die neue arabische Welt“. Ebenfalls bei Beck erscheint der (immer wieder neu aufgelegte) Dauerbrenner „Der Islam in der Gegenwart“, mit „Islam“ ist „islamische Welt“, also auch die Politik, gemeint, die länderweise von verschiedenen, wissenschaftlich qualifizierten Autoren abgehandelt wird.
Zum politischen Islam ist Gilles Kepel zu empfehlen, neu auf dem deutschsprachigen Markt sein „Das Schwarzbuch des Dschihad“, zum selben Thema für die, die es ganz genau wissen wollen, empfehle ich Gudrun Krämers „Gottes Staat als Republik“ mit einem profunden Einblick in die islamistische Gedankenwelt.

Die Autorin ist Islamwissenschaftlerin und Leiterin des Ressorts Außenpolitik der Tageszeitung „der Standard“.