Immer mehr wird von Social Responsibility, von sozialer Verantwortung, gesprochen – sowohl was die Unternehmen als auch die öffentliche Hand, also öffentliche Einrichtungen des Bundes, der Länder und der Kommunen betrifft. Mit dieser Verantwortung meint man, dass in der Geschäftspolitik – in der Produktion, beim Handel oder beim Einkauf – auch auf die Einhaltung bestimmter ethischer und sozialer Kriterien Wert gelegt wird. Initiativen wie der Faire Handel oder zivilgesellschaftliche Bewegungen wie etwa Shopping for a better World in den USA oder die Clean Clothes-Kampagne in Europa haben die Öffentlichkeit sensibilisiert.
Die Europäische Union hat hinsichtlich des öffentlichen Vergabewesens sechs Richtlinien bürokratisch-technischer Natur aufgestellt, die von den nationalen Regierungen in Gesetzesform gekleidet werden müssen. Im Prinzip darf sich eine Ausschreibung öffentlicher Körperschaften – das kann von neuen Funkgeräten für die Polizei über Brutkästen für ein Landeskrankenhaus bis zu neuer Dienstkleidung für einen kommunalen Verkehrsbetrieb reichen – nur auf das Produkt selbst beziehen, nicht aber auf die Produktionsbedingungen. Das heißt, dass Kriterien ökologischer, ethischer oder sozialer Natur keine Berücksichtigung finden, außer sie stehen in einem direkten Zusammenhang mit dem gültigen Bestbieter-Prinzip, das auf Preis, Leistung und Qualität ausgerichtet ist.
Allerdings hat die EU im vergangenen Jahr auch Aussagen hinsichtlich „vergabefremder“ Kriterien getätigt. Im Juli 2001 gab die Europäische Kommission eine Mitteilung über die Berücksichtigung von Umweltbelangen im europäischen Vergaberecht heraus, im Oktober folgte eine Mitteilung bezüglich der Möglichkeiten zur Berücksichtigung sozialer Belange bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Bei diesen „Mitteilungen“ handelt es sich jedoch um rechtlich völlig unverbindliche Informationen an die Mitgliedsstaaten, die gewisse Überlegungen oder Interpretationen der EU-Kommission transportieren.
Gegenwärtig wird an neuen EU-Vergaberichtlinien gearbeitet, in die soziale Kriterien aufgenommen werden sollen. Wie aus Brüssel verlautet, gibt es dabei jedoch auch gegenläufige Bestrebungen, nämlich eine verstärkte Bindung des Vergaberechts an rein wirtschaftliche Kriterien – mit dem Argument, dass es über die Einführung vergabefremder Aspekte wie eben den oben genannten zur „Diskriminierung“ von Bietern kommen könnte.
Interessant sind Überlegungen, soziale Belange im öffentlichen Raum nicht nur hinsichtlich der Produktionsbedingungen eines ausgeschriebenen Produkts zu verfolgen, sondern auch hinsichtlich des entsprechenden Verhaltens des Unternehmens selbst. Beim EU-Gipfel in Göteborg hat die Kommission die Bedeutung der sozialen Verantwortung von Unternehmen in einen Zusammenhang mit der öffentlichen Politik gestellt: „Die öffentliche Politik spielt ebenfalls eine bedeutende Rolle, wenn es darum geht, die Unternehmen zu einer verstärkten sozialen Verantwortung zu ermutigen und einen Rahmen zu schaffen, der dafür sorgt, dass die Unternehmen umweltpolitische und soziale Überlegungen in ihre Wirtschaftsaktivitäten integrieren“, heißt es in einer Mitteilung der Kommission.
In den USA hat die Diskussion um einen kritischen Konsum und die Berücksichtigung von Sozialstandards schon eine jahrzehntelange Tradition. Der New Yorker Stadtrat hat im April des Vorjahres den Beschaffungsprozess der Stadt bezüglich Bekleidung und Textilien durch ein lokales Gesetz modifiziert, und im September erließ der Bundesstaat New York ein „Anti-Sweatshop-Gesetz“. Dieses ermöglicht öffentlichen Stellen, bei Ausschreibungen Anbietern den Zuschlag wegen Verletzung sozialer Kriterien zu verweigern. Dazu gehören die Einhaltung arbeitsrechtlicher Standards ebenso wie die Zulassung freier Gewerkschaften.
In Frankreich hat die nationale Clean Clothes-Kampagne mit bereits mehr als 130 Stadtverwaltungen ein Bündnis geschlossen. Darin verpflichten sich die Kommunen unter anderem, bei ihren Lieferanten Informationen über die Produktionsbedingungen einzuholen und VerbraucherInnen-Kampagnen in ihrer Öffentlichkeitsarbeit zu unterstützen.
Es ist wohl noch ein weiter Weg, bis die Kriterien des kritischen Konsums und des Fairen Handels sozusagen offiziellen und gleichberechtigten Eingang in die Richtlinien der öffentlichen Beschaffungspolitik finden – doch es bewegt sich einiges in diese Richtung.