Die Regierung hütet das Bankgeheimnis. Es stehe in der Verfassung und sei Bestandteil der österreichischen Identität (gleich nach den Mozartkugeln, sozusagen). Überdies müsse man die Bevölkerung vor dem hemmungslosen Nachstellen der Behörden schützen. Es gehe um den Schutz der Privatsphäre der kleinen Sparer, auch um die Freiheit (ein Argument, das jüngst aus dem für das Eintreiben von Steuern zuständigen Ministerium zu hören war).
Worum geht es tatsächlich?
Österreich verfügt über ein Bankgeheimnis, das nur auf gerichtliche Bewilligung (bzw. bei bereits eingeleitetem Strafverfahren) gelüftet wird. Unsere Banken werben um KundInnen aus Italien und Deutschland mit Hinweis auf ihre „Diskretion“. Diese mangelnde Transparenz macht uns gemeinsam mit den niedrigen bzw. abgeschafften Steuern (Erbschaft, Vermögen, Stiftungen) und dem im Verhältnis zur lokalen Wirtschaft überdimensionierten Bankensystem nach der Definition des Internationalen Währungsfonds zu einer Steueroase. Was der deutsche Finanzminister auch schon feststellte. Rund 70 Milliarden Euro vermutet Peer Steinbrück unversteuert auf österreichischen diskreten Konten. Dass 20 Prozent Quellensteuer auf die Zinsen eingehoben werden, ist ein schwacher Trost.
Die unversteuerten Milliarden fehlen, und zwar denHerkunftsländern des Geldes, um Ausgaben für Bildung, Gesundheit und soziale Sicherheitsnetze zu finanzieren, die in Zeiten der Wirtschaftskrise dringend benötigt werden (schließlich müssen ja auch noch die Bankenrettungspakete abbezahlt werden).
Was hat dies mit den Ländern des Südens zu tun?
Weltweit mehr als siebzig so genannte „secrecy jurisdictions“ (Geheimnisstaaten) erwähnte John Christensen vom Tax Justice Network kürzlich bei einer Veranstaltung in Wien, und es kommen immer wieder neue dazu. Schätzungen des Think-Tanks Global Financial Integrity zufolge verlieren allein die Entwicklungsländer jedes Jahr 900 Mrd. US-Dollar durch illegale Finanzflüsse. Das sind Gelder, die entweder illegal verdient, transferiert oder verwendet werden. Das ist rund achtmal so viel Geld, wie die OECD-Staaten letztes Jahr zur Entwicklungsfinanzierung beigetragen haben, und deutlich mehr, als laut Vereinten Nationen für die Erreichung der Millenniumsziele benötigt würde.
Das Problem ist jedoch umfassender: Es geht nicht nur um Steuerflucht und Steuerhinterziehung von reichen Einzelpersonen, sondern natürlich auch um Korruption, Geldwäsche und rechtlich legale, aber ethisch illegitime Steuerfluchtpraktiken großer Konzerne sowie deren Möglichkeit, mittels des Zauberworts „Standortwettbewerb“ Sozialstandards zu drücken und Staaten immer günstigere Konditionen abzupressen. Was hier in großem Stil – und gesellschaftlich legitimiert (man denke an den hohen gesellschaftlichen Status, den z.B. auf Steuervermeidung spezialisierte JuristInnen genießen) – passiert, ist die Überwälzung der Steuerlast auf jene, die nicht die Ressourcen haben, um für sich und auf Kosten aller anderen Steuervermeidungskonstruktionen auszuarbeiten. Es handelt sich um jene Menschen, die Pröll, Faymann & Co. zu schützen vorgeben.
Österreich unterstützt durch sein Beharren auf dem Bankgeheimnis und durch die populistische Verweigerung der umfassenden Zusammenarbeit mit anderen Staaten (Stichwort: „automatischer Informationsaustausch“ über Auslandskonten) das System der Steuerflucht, das rund um den Globus die Ungleichverteilung der Lasten und Privilegien unerträglich verschärft.
Was ist also zu tun?
Österreich sollte dringend das Bankgeheimnis abschaffen, die EU-Zinsrichtlinie umsetzen, ein ähnliches (und inhaltlich ausgeweitetes) Abkommen auf globaler Ebene unterstützen sowie die Austrocknung von Steueroasen vorantreiben (die Listen der OECD werden allerdings zu Recht kritisiert, da sie Steueroasen wie Jersey den Persilschein ausstellen). Kurz gefasst heißt dies: Österreich soll aufhören, die Steuerbasis anderer Staaten zu unterminieren. Dies könnte im Übrigen auch dem heimischen Haushalt zu Gute kommen (hat übrigens jemand überprüfen können, ob es sich bei den von Julius Meinl binnen einer Stunde aus Liechtenstein mobilisierten 100 Mio. Euro um versteuertes Geld handelt? Eben).
Die Länder des Südens brauchen Unterstützung beim Aufbau effizienter Steuersysteme. Ein wichtiger Nebeneffekt wäre die Stärkung der Rechenschaftspflicht der Staaten gegenüber ihren BürgerInnen sowie mehr Autonomie für die Entwicklungs- und Schwellenländer. Letztlich geht es nicht um „Hilfe“, sondern um soziale Gerechtigkeit auf Ebene der politischen Systeme und um Solidarität auf Ebene der BürgerInnen in Süd und Nord.
Mehr Solidarität wäre übrigens gerade Österreich dringend anzuraten, denn die Regierung hat es gerade verabsäumt, die Mittel für Entwicklungsfinanzierung anzuheben. Österreich wird auch 2009 und 2010 weniger Geld für Entwicklung ausgeben, anstatt die Mittel auf die zugesagten 0,51 % des Bruttonationaleinkommens zu steigern. Besonders beschämend ist dies angesichts der dramatischen Auswirkungen der Wirtschafts- und Klimakrise auf die Länder des Südens und angesichts des neuen Haushaltsrechts, das jeweils für vier Jahre die Eckpunkte des Budgets im Vorhinein festlegt. Mehr Geld für die Millenniumsentwicklungsziele ist darin nicht vorgesehen.
Umso kurzsichtiger ist die Weigerung des Finanzministers, Österreich in die Reihe der international solidarischen Staaten zu stellen, sich dem Kampf gegen Steueroasen anzuschließen und eine umfassende multilaterale Kooperation zu beginnen.
Weiterführende Links:Taxjustice Network:
www.taxjustice.net Global Financial Integrity:
www.gfip.orgwww.globaleverantwortung.at