Mit der Parole „Null Toleranz bei Korruption“ hat Kenias Regenbogenkoalition unter Präsident Mwai Kibaki vor gut zwei Jahren die Führung übernommen. Zwar lassen sich Beamte nun seltener schmieren, dafür aber mit höheren Summen. Die Regierung bleibt hinter ihren Versprechen zurück. Von Knut Henkel.
Auf der Liste der korrupten Institutionen Kenias landete die Polizei wieder einmal auf dem ersten Platz. Das ergab der alljährlich von Transparency International Kenia herausgegebene Index, den die Direktorin Gladwell Otieno im März in Nairobi vorgestellte. Sie leitet den kenianischen Zweig der internationalen Nichtregierungsorganisation, die weltweit für Transparenz und gegen Korruption kämpft. Laut Otieno bremsen eben jene Einrichtungen die öffentliche Kampagne gegen Korruption, die gegründet wurden, um diese zu bekämpfen, ihren Auftrag aber nicht erfüllen. Schmiergelder sind gang und gäbe im Justizsystem, an den öffentlichen Universitäten, im Landwirtschaftsministerium oder im nationalen Elektrizitätssektor, wie die seit 2001 zum fünften Mal durchgeführte Studie aufzeigt.
Transparency Kenia beziffert den wirtschaftlichen Verlust auf 2.662 kenianische Schilling (27 Euro) pro EinwohnerIn im vergangenen Jahr. Das bedeutet eine Verbesserung gegenüber den 4.034 Schilling (41 Euro), die für 2003 notiert wurden. Auch ist die Bereitschaft in der Bevölkerung gestiegen, Beamte anzuzeigen, die Bestechungsgelder verlangen. Zwar werden der Studie zufolge weniger oft Schmiergelder bezahlt, doch hat sich die durchschnittliche Summe pro Fall mit 4.958 Schilling (50 Euro) mehr als verdreifacht. Das größere Risiko, ertappt zu werden, hat dazu geführt, dass sich viele Beamte oder Angestellte im öffentlichen Sektor seltener, dafür aber mit höheren Beträgen schmieren lassen.
Wenig geändert hat sich an den zugrunde liegenden Strukturen. Diese Tatsache hielten ausländische DiplomatInnen der Regierung von Präsident Mwai Kibaki seit dem Jahreswechsel immer öfter vor. Den Anfang machte Großbritanniens Botschafter Edward Clay: Zu Jahresbeginn wurde er beim Staatschef Kibaki vorstellig, um ihm einen Bericht über 20 mutmaßliche Korruptionsfälle zu übergeben. Deren Ausmaß soll sich auf bis zu 600 Millionen Euro belaufen. Anfang Februar ging Clay an die Öffentlichkeit und verurteilte die um sich greifende Korruption in einer Rede scharf. Als wenige Tage später Präsidentenberater John Githongo per Fax aus London seinen Rücktritt erklärte, war das Debakel für die Regierung in Nairobi perfekt. Githongo, ehemaliger Direktor der kenianischen Sektion von Transparency International, galt als oberster Korruptionsbekämpfer und genoss im In- wie Ausland hohes Ansehen. Als „Mister Clean“ hatten die Zeitungen in Nairobi ihn gefeiert, weil er, wie er sagt, angetreten war, „um das große schwarze Loch, in dem die Regierungsgelder verschwinden, zu stopfen. Rund 40 Prozent der Steuern werden aufgrund von Korruption in den Amtsstuben erst gar nicht gezahlt“.
Doch Githongo war ein Saubermann ohne große Befugnisse. Als Berater hatte er nicht die Macht, die gerichtliche Verfolgung von korrupten Ministern und Funktionären einzuleiten. Belastendes Material dafür hatte Githongo eigenen Aussagen zufolge genug gesammelt und schon ein Jahr vor seinem Rücktritt geklagt, dass „einige Leute ihren Mut nach einigen Telefonanrufen eingebüßt“ hätten. Er war so wenig wie seine Nachfolgerin Gladwell Otieno überrascht, dass die „Korruptionsnetzwerke sich wieder organisierten und zurückschlugen“. Allerdings flogen die unlauteren Geschäfte immer schneller auf. Das lag nicht nur an Githongo, der sein Wissen auch an die Presse weitergab. Im Regierungsbündnis NARC selbst bezichtigten sich die Mitglieder wechselseitig der Korruption, setzt sich die Nationale Regenbogenkoalition doch aus vielen Gruppen, Parteien und Einzelpersonen zusammen, die einander nicht immer freundschaftlich gesonnen sind.
Mit dem Rücktritt Githongos, der sich in Kenia nicht mehr sicher fühlte und nun in London lebt, hat der internationale Druck stark zugenommen. Mehrere Geberländer, darunter die USA und Deutschland, haben ihre Hilfen für Regierungsprogramme zur Bekämpfung der Korruption eingefroren. Die britische Regierung ging noch einen Schritt weiter und verweigert Ministern die Einreise, die der Korruption verdächtigt werden. Denkanstöße für ein Land, dessen Regierung viel Kredit verspielt hat.
Knut Henkel ist Politikwissenschaftler und freiberuflicher Journalist mit Schwerpunkt Entwicklungspolitik.