Im bevölkerungsreichsten Land Afrikas hat die junge Generation auf einen Wechsel an der Staatsspitze gehofft und vielen dürften bei der Präsidentenwahl im Februar für Peter Obi gestimmt haben; gereicht hat das nicht.
Nigeria setzt seine Tradition der alten Politiker fort, die sich fortlaufend selbst recyceln. Nachdem sie ein Amt ausgeübt haben, verschwinden sie nach Ablauf der Amtszeit für einige Jahre aus den ersten Reihen, um dann in das nächsthöchste Amt zurückzukehren. Mit Bola Tinubu wird in der Hauptstadt Abuja am 29. Mai ein neuer Staats- und Regierungschef vereidigt, der bereits von 1999 bis 2007 Gouverneur des Bundesstaates Lagos war und den eigentlich Millionen junger Menschen – das Durchschnittsalter liegt bei 18,6 Jahren – unbedingt verhindern wollten.
Der 70-Jährige galt lange als einflussreichster politischer Strippenzieher im Land. Unter anderem finanzierte er die Wahlkämpfe des scheidenden Präsidenten Muhammadu Buhari mit, baute dessen Stellvertreter Yemi Osinbajo auf und sicherte sich so geschickt die Loyalität zahlreicher Personen. Schon im Wahlkampf wirkte er allerdings so manches Mal zittrig und abwesend. Immer wieder fielen ihm Namen nicht ein.
Tinubu, der dem All Progressives Congress (APC) angehört, hat so wenig Rückhalt im Land wie keiner seiner Vorgänger seit dem Ende der Militärherrschaft im Jahr 1999. Nur 8,7 der 220 Millionen Nigerianer:innen stimmten bei der Wahl am 25. Februar für ihn. Die Wahlbeteiligung lag bei nicht einmal 27 Prozent.
Labour verliert am Land
Im Vorfeld gehypt wurde hingegen Peter Obi. Vor allem auf Twitter wirkte es so, als ob der 61-Jährige, der von 2007 bis 2014 ein nicht unumstrittener Gouverneur im Bundesstaat Anambra sowie zuvor jüngster Vorsitzender der nigerianischen Fidelity Bank war, eine reelle Chance haben könnte. Seine Anhänger:innenschaft besteht überwiegend aus jüngeren, gut ausgebildeten und in Städten lebenden Menschen, die gerne betont haben, ein neues, geeintes Nigeria zu wollen: Arbeitsplätze, weniger Korruption und Vetternwirtschaft.
Obis Labour Party (LP) hat es jedoch bisher nicht in viele Dörfer geschafft. Wahlen werden in Nigeria allerdings auf dem Land gewonnen. Der Partei, die noch vor einem Jahr unbekannt und zerstritten war, hat es schlicht an einem Netzwerk gefehlt. Gleichwohl hat sie dafür einen beachtlichen Erfolg erzielt. Bereits vor der Wahl wurde allerdings darüber spekuliert, dass Obi langfristig eine eigene Partei aufbauen könnte. Partei-Neugründungen sind in Nigeria nicht ungewöhnlich.
Obi zieht vors Wahlgericht
Noch bleibt Obi allerdings bei der Labour Party, die den Ausgang nicht akzeptiert hat und vor ein Wahlgericht gezogen ist. Aufgrund zahlreicher Fehler im Zuge der Abwicklung der Wahl, so Obis Forderung, müsse das Ergebnis für ungültig erklärt werden. Tatsächlich dauerte es teilweise Tage, bis Teilergebnisse auf die eigens dafür eingerichtete Website geladen wurden. Vor allem in Lagos versuchten junge Männer – mutmaßlich in Wahlkreisen mit hoher LP-Anhängerschaft –, Wahllokale zu stürmen. Schon vor dem Urnengang hatte es vermehrt Einschüchterungsversuche gegeben. Deshalb gilt es als positiv, dass die nach der Ergebnisbekanntgabe befürchtete Gewaltwelle ausgeblieben ist und die Unterlegenen den Rechtsweg eingeschlagen haben.
Auf Tinubu kommt nun die vermutlich unmögliche Aufgabe zu, ein noch tiefer gespaltenes Land zu einen. Er betonte, ein „fairer“ Präsident werden zu wollen. Millionen junger Menschen hoffen auf Arbeitsplätze und vor allem der Nordosten und Zentralnigeria auf mehr Sicherheit. Bis heute sind die Terrorgruppen Boko Haram und der Islamische Staat in der Provinz Westafrika (ISWAP) aktiv. Auch steigt die Zahl der tödlichen Konflikte im Land weiter an. All diese Probleme, hat der künftige Präsident mehrfach betont, wolle er angehen. Detaillierte Pläne dafür sind aber bisher nicht bekannt.
Katrin Gänsler lebt und arbeitet seit 2010 als Korrespondentin, Autorin und Reporterin in Westafrika.
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