In ihrem jüngsten Dreijahresprogramm 2004-2006 betont die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit im Außenministerium (ÖEZA) ihren neuen Schwerpunkt „Wirtschaft und Entwicklung“. Wo liegen dabei die Chancen, wo die Risiken? Diese Frage 1 stellten wir Außenministerin Benita Ferrero-Waldner und dem Schweizer Entwicklungsexperten Richard Gerster 2.
Benita Ferrero-Waldner:
Wirksame – im Sinne der Millenniumsziele armutsorientierte – Entwicklungspolitik umfasst mehrere Dimensionen: es geht darum, für alle Menschen ausreichenden Zugang zu Einkommen, Bildung, Gesundheit, Sicherheit und politischen Rechten sicherzustellen.
Wirtschaftsentwicklung ist eine wesentliche Voraussetzung für die nachhaltige Beseitigung von Armut. Die Förderung einer nachhaltigen sozial und ökologisch ausgewogenen wirtschaftlichen Entwicklung in den Partnerländern ist daher ein wichtiges Anliegen der österreichischen Entwicklungs- und Ostzusammenarbeit: Investitionen schaffen neue Arbeitsplätze und Einkommen und ermöglichen damit eine Verbesserung der Existenzgrundlage.
Auf dem Weltgipfel in Johannesburg wurde betont, welch enormes Potenzial für nachhaltige Entwicklung in neuen Partnerschaften zwischen Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft besteht. Daher ist es mir besonders wichtig, die Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Kooperationen und die Förderung von Wirtschaftsentwicklung zu verbessern und dabei vermehrt österreichisches Potenzial einzubeziehen. Die Maßnahmen, die wir hier setzen können, reichen vom Ausbau der Infrastruktur und der Förderung der Organisations- und Institutionsentwicklung über die Kooperation zwischen österreichischen Unternehmen mit der Wirtschaft in den Zielländern bis zur Direktförderung des privaten Sektors in den Partnerländern. Wenn die verfügbaren Finanzierungs- und Wirtschaftsinstrumente besser zusammenwirken und mit der Entwicklungszusammenarbeit koordiniert sind, kann österreichischen Unternehmen die Investition in Partnerländern wesentlich erleichtert werden. In der neu gegründeten ADA gibt es durch das Referat „Wirtschaft und Entwicklung“ dafür auch entsprechende personelle Ressourcen. Auch sollen in Brüssel Möglichkeiten der Kooperation und der Erschließung von Ressourcen für Entwicklungszusammenarbeit im wirtschaftlichen Bereich aktiver wahrgenommen werden.
Bei allen Überlegungen stehen das Ziel der Armutsbeseitigung sowie die damit verbundenen Grundsätze und strategischen Ausrichtungen der Österreichischen Entwicklungs- und Ostzusammenarbeit an oberster Stelle. In diesem Rahmen sehe ich wenig Risken, jedoch große Chancen, dass wirtschaftliche Kooperationen aktiv und kreativ genutzt werden.
Richard Gerster:
Es heißt im Dreijahresprogramm 2004 – 2006, Wirtschaftsentwicklung sei die Grundvoraussetzung für eine nachhaltige Reduktion der Armut. Diese Erkenntnis kann nicht genug unterstrichen werden. Armutsbekämpfung ist mehr als Gesundheit und Bildung für alle. Eine wirksame Verringerung der Armut setzt Arbeit voraus, und der Motor dahinter kann nur die Privatwirtschaft sein – der Staat wäre damit völlig überfordert. Das haben namentlich private Hilfswerke allzu lange übersehen. Erstaunlicherweise sind auch viele Strategien zur Reduktion der Armut (PRSPs) von Investitionen in Gesundheit und Bildung geprägt, während sie die Schaffung von Arbeitsplätzen vernachlässigen.
Wohlverstanden: Wir sprechen hier von der wirtschaftlichen Entwicklung im Süden. Die Finalität von entwicklungspolitischen Maßnahmen unter dem Titel „Wirtschaft und Entwicklung“ kann nur der Nutzen für die Wirtschaft in den Partnerländern sein. Die Frage, ob und welche Beiträge Unternehmen aus dem Norden leisten können, darf erst in zweiter Linie ins Spiel kommen. Sonst laufen wir Gefahr, dass wir für unsere Lösungen – nämlich mögliche Beiträge österreichischer Unternehmen – geeignete Probleme in Entwicklungsländern suchen, statt umgekehrt von den Problemen der Partnerländer auszugehen. In Mosambik z.B. stehen je 100.000 Arbeitsplätze des formellen Privatsektors und des Staates rund 5,8 Millionen Menschen gegenüber, welche sich im informellen Sektor durchschlagen. Ein Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung, der gleichzeitig die Armut reduzieren soll, muss deshalb im informellen Bereich ansetzen. Die Reichweite der europäischen Privatwirtschaft ist in diesem Umfeld beschränkt.
Ob hinter der Heirat von Wirtschaft und Entwicklung ein ernsthafter entwicklungspolitischer Wille steht, wird die Zukunft zeigen. Die Erfolgskriterien:
– Bei Österreichs Mitgestaltung der Rahmenbedingungen dominiert nicht die Förderung des Wirtschaftswachstums, sondern die „Pro Poor“-Zielsetzung;
– Finanzierungen werden wesentlich zur Stärkung der informellen Wirtschaft in den ärmsten Ländern eingesetzt;
– Förderinstrumente wie Exportkredite oder Investitionsgarantien werden aufgrund eines stringenten Nachweises des Nutzens für die Armen vergeben;
– die Maßnahmen dieses Bereichs sind nicht isolierte Einzelaktionen, sondern Teile umfassender Entwicklungspartnerschaften.
1) An dieser Stelle im SÜDWIND-Magazin werden aktuelle entwicklungspolitisch relevante Fragen gestellt. Antworten geben die politisch für Entwicklungszusammenarbeit verantwortliche Außenministerin Ferrero-Waldner sowie vom SÜDWIND eingeladene ExpertInnen.
2) Richard Gerster, Dr. oec., Schweiz, hat Wirtschaftswissenschaften studiert. Er arbeitet als selbständiger Publizist („Globalisierung und Gerechtigkeit“, hep-Verlag 2001) und
Berater (www.gersterconsulting.ch). Er ist Mitglied des Beirats für Entwicklungspolitik der österreichischen Bundesregierung.