13 Monate Wirtschaftskrise in Indonesien. Acht Monate davon ohne Suharto, und immer noch herrscht KKN, die indonesische Abkürzung für Korruption, Verdunkelung und Vetternwirtschaft
Die UNO prognostiziert für 7,5 Millionen Menschen „akute Engpässe in der Lebensmittelversorgung“ innerhalb dieses Jahres. Selbst Regierungsstatistiker stufen 47% der 200-Millionen Bevölkerung unter der offiziellen Armutsgrenze ein, gegenüber lediglich 11% zur Zeit des Wirtschaftswunders 1996.
Dazu der volkswirtschaftliche Schaden der Waldbrände im Ausmaß von 4,5 Milliarden US-Dollar. Trotz oder wegen der IMF-Milliarden: Es fehlt nicht nur an Nahrung, sondern auch an Visionen.
Bahruddin Yussuf Habibie, verfassungsgemäßer Nachfolger des im Mai zurückgetretenen Langzeitautokraten Suharto, thront in Amt und Würden. Die tragende Rolle der ABRI (Armeefraktion) für die Politik des Landes („Dwifungsi-Doktrin“) ist unangefochten wie Armeechef General Wiranto, dessen Popularität angesichts der jüngsten Scharmützel gegen DemonstrantInnen einem Tiefpunkt entgegenstrebt. Ein Buhmann mehr, eine Hoffnung weniger.
Die Golkar, quasi die unangefochtene Staatspartei der Militärs und Beamten, ist immer noch fest verankert und hat – pro forma – sieben prominente Suharto-Günstlinge ausgetauscht. Kein Wunder, daß allzu penible Untersuchungen der Vermögenssitution von Suharto zum Damoklesschwert für die alten Haudegen werden könnten.
Laut eigenen Angaben hat er 40 Millionen Schilling in drei indonesischen Banken deponiert. Schätzungen sprechen hingegenvon 250 Milliarden Schilling für den gesamten Clan.
Also wird verzögert, ein wenig hingehalten, und halbherzig werden Untersuchungskomitees eingesetzt: die KKN, die indonesische Abkürzung für Korruption, Verdunkelung und Nepotismus, ist allgegenwärtig.
So scheint Suharto momentan sicher. Doch zur Besänftigung des Volksunmuts und zur Beibehaltung der neuen Pfründe werden bei Bedarf wohl auch Opfer gebracht: Ein labiler Friede zwar, doch immerhin.
Präsident Habibie und sein Team erwecken nicht den Anschein, nur bis zu den Wahlen im Juni 1999 im Amt bleiben zu wollen – die Aufklärung der traumatischen Mai-Unruhen geht schleppend vor sich, die blutigen Studentenproteste halten an. Der Truppenabzug aus Osttimor ist abgesagt und Präsidentenbruder Timmy Habibie sichert sich eben die Mehrheitsanteile an den TV-Sendern SCTV und Indosiar. Man scheint die Wiederzulassung der regimekritischen Magazine Tempo und DeTak offenbar bereits zu bereuen.
Auch Habibies Familienimperium – Chemie, Bau, Transport, Immobilien – ist mindestens 60 Millionen US-Dollar schwer.
Das neu kreierte „Globalisierungsteam“, ein Sammelsurium aus Intellektuellen, Wissenschaftern und Militärs aus dem muslimischen Umfeld der ICMI (Indonesian Association of Muslim Intellectuals) tut alles, um Habibie, den 61jährigen Ex-Technologieminister aus Sulawesi, an der Spitze zu etablieren und subtil Sündenböcke für die zornigen Massen zu schaffen.Die gezielte Umleitung von Demonstrationen in Chinesenviertel durch die „Polisi“ hat bereits Tradition.
Die von einer Gruppe „echt-„indonesischer Wirtschaftsführer und Intellektueller propagierte Wirtschaft des Volkes (Ekonomi Rakyat) grenzt Minderheiten aus. 3,5% der Bevölkerung dürften nicht weiterhin 90% des nichtstaatlichen Vermögens besitzen, warnt Tycoon Aburizal Bakrie – wobei er die wohlhabenden chinesischstämmigen Indonesier meint. Der Mob hat es wörtlich genommen. Und die indonesisch-chinesischen Schuleinschreibungen der Geldelite in Malaysia florieren. Immerhin: Die ethnischen ChinesInnen, alleiniger Sündenbock zu Beginn der Politkrise, haben Leidensgenossen bekommen. Seit Dezember geht es auch gegen christliche Kirchen. Dazu erschüttern Hunderte dubiose Morde Ostjava. Und immer trifft es Oppositionelle.
Die Visionen der Leitfiguren der Opposition sind noch unausgegoren. Die verstärkte Bedeutung des Islam steht zwar fest, nicht jedoch seine Umsetzung im Falle einer eventuellen plötzlichen Machtübernahme von einem der großen Vier: Amien Rais (ehemaliger Muslimführer der Muhammadiyah, Parteichef der neuen National Mandate Party), Abdurrahman Wahid (Führer der Nadhlatul Ulama, Indonesiens größter Muslimorganisation), Megawati Sukarnoputri (Vorsitzende der Demokratischen Partei PDI) und Sultan Hamengkubuwono X von Yogyakarta.
27 neue Parteien haben mittlerweile offiziell die Registrierung für die kommenden Wahlen beantragt, doch Abdurrahman Wahid ist skeptisch: „Wir stehen am Rande einer sozialen Revolution, und die Regierung wird immer schwächer. Ob wir es bis zu den Wahlen schaffen?“
Der Autor ist Geograph und freier Journalist. Er absolvierte mehrmonatige Forschungsaufenthalte in Indonesien im Rahmen eines zweijährigen Megastädte-Projektes des Instituts für Geographie an der Universität Wien.
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