„Neue Elefantenkrise möglich“

Von Hartmut Fiebig · · 1999/04

Mit Richard Leakey, dem neuen alten Chef der kenianischen Naturschutzbehörde, sprach SÜDWIND-Autor Hartmut Fiebig in Nairobi über die Zukunft der Nationalparks.

Frage: Die Wilderei war das Hauptproblem während Ihrer ersten Dienstzeit als Direktor. Welche sind die größten Herausforderungen für den Kenya Wildlife Service (KWS) jetzt und in Zukunft?

Ich denke, die Wilderei ist für uns in Kenia noch immer ein Problem. Wir verlieren viele Tiere durch die illegale Jagd auf Fleisch. Unsere zweite große Sorge ist, daß das Wildern auf Elefanten wieder ein Problem werden könnte. Bedauerlicherweise hat die internationale Staatengemeinschaft vor einigen Jahren die Elfenbeinverkäufe von Namibia, Simbabwe und Botswana wieder zugelassen. Das könnte der Anfang einer neuen Elefantenkrise sein.

Frage: Gegenwärtig läuft in Kenia eine Diskussion, ob man die Jagd auf kommunaler Ebene außerhalb der Schutzgebiete wieder erlauben sollte, um damit Einnahmen zu erwirtschaften. Wie stehen Sie zu dieser Idee?

Wir haben kein Problem mit der philosophischen Seite des Jagens. Es ist keine verwerfliche Sache. Aber sie wäre für uns kaum zu kontrollieren. Die Wildtiere in den Nationalparks sind entscheidend für unseren Tourismus. Es wäre tragisch, wenn wir Wilderei beobachten müßten, ohne Ordnungskräfte zu haben. In dieser Frage muß sehr behutsam umgegangen werden.

Frage: Auf dem Land wird ohnehin gejagt und gewildert.

In Kenia lebt ein großer Teil der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Eiweiß ist Mangelware. Wenn man Ihnen in Deutschland erlaubt zu jagen, dann geschieht das vor dem Hintergrund, daß alle auch Zugang zu anderen Lebensmittelquellen haben. Wenn Sie aber hier die Möglichkeit haben, eine Antilope zu schießen, benötigen im Grunde aber drei – Ihre Kinder weinen vor Hunger – ist es schwer zu sagen: „Ich werde nur eine schießen, weil die Gemeinde sagt, das ist meine Quote.“ Sie würden drei nehmen. Das einzige, was Sie davon abhalten könnte, ist die Polizei. Genau das ist die Regulierung, die mir Sorgen macht.

Mit der Forstwirtschaft ist es das Gleiche. Wenn Sie imstande sind, die Wälder durch ihre Nutzung zu schützen – wunderbar. Aber wenn die Menschen nicht kochen können, weil sie kein Brennholz haben, werden Sie nicht den Wald betrachten und sagen: „Diese Woche kann ich mir kein Feuerholz mehr nehmen, ich habe mein Kontingent bereits ausgeschöpft.“ Denn Sie müssen kochen. Heute und morgen.

Frage: Das Schicksal des KWS ist eng an den Tourismus geknüpft. Wie könnte Kenia Ihrer Meinung nach seine frühere Stellung auf dem Weltmarkt des Tourismus wiedererlangen?

Meiner Meinung nach spielt der KWS eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung des Tourismus. Wir müssen den Reisenden Sicherheit garantieren. Die Tierwelt Kenias ist immer noch eine der schönsten auf dieser Erde. Ich denke, wir müssen das, was wir zu bieten haben, aggressiver vermarkten. Wir müssen die Laisser-faire-Einstellung aufgeben, die unser Marketing bisher beherrscht hat. Botswana, Südafrika und Tansania sind unsere Konkurrenten. Wenn wir auf dem ersten Platz bleiben wollen, müssen wir hart arbeiten.

Die Sicherheitslage ist dabei nicht die Streitfrage, sondern unsere Selbsteinschätzung und wie wir uns nach außen verkaufen. Es gibt zu viele Leute, die sich in den Parks daneben benehmen. Viele fahren abseits der Wege, kreisen die Tiere ein und bewerfen sie mit Filmdosen. Das kann und muß abgestellt werden.

Frage: Sie sind nun zum zweiten Mal Direktor des KWS, hatten eine politische Karriere. Gibt es den Anthropologen Dr. Leakey noch?

Ich halte eine ganze Menge Vorträge auf diesem Gebiet. Meine Frau und meine Tochter sind in der Forschung am Lake Turkana sehr aktiv. Ich bin eng in die Feldforschung eingebunden.

Frage: Wir danken für das Gespräch

Der Autor ist Reisejournalist aus Köln. Er führte während seines letzten Aufenthaltes in Kenia ein Gespräch mit Dr. Richard Leakey.

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