Die weitgehenden Ausstiegs- und Rückzugsempfehlungen des Salim-Berichts zur Weltbankpolitik im Öl-, Gas- und Bergbausektor dürften an massiven Beharrungskräften scheitern. Politische Wirkung wird der kritsiche Bericht in jedem Fall ausüben.
Jahrzehntelang hat die Weltbank direkt oder im Rahmen der Strukturanpassungspolitik den Abbau von Bodenschätzen in Entwicklungslän-
dern gefördert – und damit kaum, wenn überhaupt ihre Ziele erreicht, wie KritikerInnen sagen: nämlich nachhaltige Entwicklung und Armutsbekämpfung. Wie sie es besser machen könnte, sollte eine unabhängige Evaluierung im Auftrag der Weltbank, die „Extractive Industries Review“ (EIR) unter Leitung des früheren indonesischen Umweltministers Emil Salim herausfinden. Seit seiner Präsentation um die Jahreswende werden die Empfehlungen des „Salim-Berichts“ (siehe Kasten) weltweit kontroversiell diskutiert: Organisationen der Zivilgesellschaft, prominente Einzelpersonen und ParlamentarierInnen (darunter die österreichischen Grünen) fordern ihre vollständige Umsetzung, während Regierungen und Privatsektor einige der Empfehlungen völlig ablehnen.
Dass Regierungen mit Rechten indigener Völker oder Vorgaben für ihre Budgetpolitik Probleme haben, war zu erwarten. Betroffene Industrien und Banken wenden sich jedoch vor allem dagegen, ein Weltbankengagement von „zu hohen“ Standards guter Regierungsführung (Good Governance) abhängig zu machen, sowie gegen einen Rückzug aus der Ölförderung und aus Kohleprojekten. Nach einem vorläufigen, internen Dokument zu schließen, das im Februar an die Öffentlichkeit gelangte, scheint das Weltbankmanagement die selben Vorbehalte zu haben – abgesehen von ausweichenden Kommentaren zu anderen zentralen Empfehlungen, die NGOs eine Fortsetzung des „Business as usual“ befürchten lassen. Entscheiden werden letztlich aber die Exekutivdirektoren der Weltbankgruppe, wahrscheinlich im Mai oder Juni.
Eine vollständige Umsetzung des Salim-Berichts ist wohl nicht zu erwarten. Was die umstrittenen Empfehlungen betrifft, sollte man sich aber keinen Illusionen hingeben: Im Unterschied zu einer Verbesserung der Praxis der Weltbank vor Ort hätte ein Ausstieg aus oder eine Nichtfinanzierung von Projekten kaum unmittelbar positive und eventuell sogar negative Auswirkungen. Der Haupteffekt bestünde eher darin, politische Zeichen zu setzen – etwa die Ölförderung als „unerwünscht“ abzustempeln, wie die Ölbranche in einer Stellungnahme befürchtet.
Zweifellos würden bei Anwendung hoher Governance-Standards umstrittene Projekte wie die durch eine Weltbankbeteiligung ermöglichte Tschad-Kamerun-Pipeline nicht mehr realisiert werden. Ob die Bevölkerung des Tschad ohne Erdölexporte in Zukunft besser dastünde, kann derzeit jedoch niemand beurteilen. Der Baumwollpreis, entscheidend für die Existenz Tausender BäuerInnen im Tschad, bleibt jedenfalls unberührt. Solche, auf eine Weltbankbeteiligung angewiesene Vorhaben sind aber die Ausnahme, und die weltweite Nachfrage nach fossilen Energieträgern und mineralischen Rohstoffen nimmt weiter zu. Wird das zusätzliche Öl nicht im Tschad aus dem Boden geholt, dann eben in einem OPEC-Land, und der „Fluch der Ressourcen“ wird schlecht regierte arme Länder auch ohne Weltbank verfolgen – ob Nigeria, Angola oder die bürgerkriegsgeplagte Demokratische Republik Kongo.
Salim selbst nahm Anfang März gegenüber der Frankfurter Rundschau zu Bedenken in Bezug auf einen Rückzug der Weltbank Stellung. Zahlreiche Großbanken hätten inzwischen mit den „Äquator-Prinzipien“ die Umwelt- und Sozialstandards der Weltbankgruppe übernommen, meinte Salim, und könnten so einen allfälligen positiven Einfluss der Weltbank ersetzen. Genau diese Äquator-Banken ließen aber Anfang April laut Financial Times intern einen Brief an die Weltbank zirkulieren, in dem sie sich gegen zu hohe Governance-Kriterien aussprachen.
Klar sollte sein, dass auch der empfohlene Ausstieg aus der Öl- und Kohleförderung unmittelbar nichts zum Klimaschutz beitragen dürfte, da die Nachfrage so nicht reduziert werden kann. Selbst wenn das Angebot verknappt, also der Ölpreis erhöht werden könnte, wäre der Schaden für die Wirtschaft gerade armer, öl- oder gasimportierender Entwicklungsländer am höchsten: Es gibt zu wenig wirtschaftliche Alternativen und würde Kohle interessanter machen. Genau darauf verweist die Weltbank in ihrer vorläufigen Antwort: Der niedrige Anteil erneuerbarer Energiequellen in ihrem Energieportfolio (6%) sei auf einen Mangel geeigneter Projekte und nicht auf finanzielle Engpässe zurückzuführen.
Auch in Sachen Kohle will sich die Weltbank nicht die Hände binden: Indien, China und Südafrika, so die Weltbank, würden jedenfalls weiter Kohle als bedeutende Energiequelle nutzen – und da sieht sie Chancen, im Rahmen einer Projektbeteiligung höhere Effizienz oder eine Emissionsreduzierung von Kohlekraftwerken zu erreichen. Zumindest geht die Weltbank mit dem Salim-Bericht konform, was die Förderung erneuerbarer Energiequellen und die Bevorzugung von Gas betrifft. Einige politische Zeichen wird der Salim-Bericht wohl zur Folge haben, wenn auch nicht so deutliche wie erwünscht.