Nein danke. Nur Inländer!

Von Christian Gratzer · · 1999/06

Diskriminierungen wegen der Herkunft und der Hautfarbe gehören in Österreich zum traurigen Alltag. Menschenrechtsorganisationen sind aber optimistisch, daß auch bei uns in absehbarer Zeit ein Antidiskriminierungsgesetz kommt.

Neubau, ablösefrei, komplett möbliert, Sofortbezug, Kaution 30.000.-. Nur Inländer!“ „Billa sucht Kassakräfte … Inländer bevorzugt.“ „Arbeiter für Dauerstelle in Wr. Neustadt gesucht, nur Inländer“…

Der Streifzug durch den Anzeigenteil eines auflagenstarken Kleinformates der heimischen Presselandschaft ist ernüchternd – und leider keine Ausnahme in Österreich. Mehr als 2.000 Mal wurde im vergangenen Jahr die Nummer der Anti-Rassismus-Hotline 17 600 17 gewählt, zahlreiche davon betrafen Diskriminierungen aufgrund der Hautfarbe oder der Herkunft.

„Wir können leider gegen den Zusatz ’nur für Inländer‘ nichts unternehmen. Es handelt sich um eine zivilrechtliche Angelegenheit, und im österreichischen Zivilrecht gibt es kein ausdrückliches Verbot rassischer Diskriminierung“, beschreibt Johanna Landgrebe von der Anti-Rassismus-Hotline die aktuelle Situation.

Zur Zeit können sich Betroffene, wenn überhaupt, nur in einem sehr geringen Ausmaß gegen Diskriminierungen wehren. Österreich hat zwar bereits 1973 das Internationale Übereinkommen über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung in den Verfassungsrang erhoben, dies verleiht aber dem einzelnen Betroffenen keine unmittelbar durchsetzbaren Rechte. Außerdem kritisieren Menschenrechtsorganisationen, daß Österreich dieses Abkommen noch immer nicht zur Gänze umgesetzt hat.

Im Verwaltungsrecht verbietet ein Artikel eine „ungerechtfertigte Benachteiligung“ von Personen allein aufgrund ihrer Rasse, Hautfarbe, der nationalen oder ethnischen Herkunft. Für die Betroffenen ist es jedoch in der Praxis kaum möglich zu beweisen, daß sie allein wegen ihrer Hautfarbe oder Herkunft einen Job nicht bekommen haben. Der Diskriminierer braucht sich nur auf andere Gründe ausreden – auch hier gilt der Grundsatz „im Zweifel für den Beschuldigten“.

Gegen diskriminierendes Verhalten durch Polizeibeamte kann eine Beschwerde beim Unabhängigen Verwaltungssenat (UVS) eingebracht werden. Außer Spesen kann man im besten Fall lediglich eine Erklärung des UVS bekommen, daß das Verhalten der Beamten nicht in Ordnung war. Um Schadenersatzansprüche muß man in einem weiteren Verfahren kämpfen. Das große Kostenrisiko und die gängige Spruchpraxis der Gerichte, die Polizeibeamten trotz widersprüchlicher Aussagen in der Regel mehr glauben als dem betroffenen Diskriminierten, schreckt viele von dieser Klage ab.

„Österreich ist in Europa gemeinsam mit Deutschland das Schlußlicht, was gesetzliche Regelungen gegen rassistische Diskriminierungen angeht“, stellt Dieter Schindlauer vom Wiener Boltzmann-Institut für Menschenrechte fest. Schindlauer arbeitet seit Anfang April an einem Entwurf für ein Anti-Diskriminierungsgesetz, finanziell unterstützt durch das Bundeskanzleramt und das Justizministerium. „Das zeigt, daß es von Regierungsseite durchaus Interesse an Bestimmungen gegen die Diskriminierung wegen der Herkunft oder der Hautfarbe gibt. Umso mehr, als auf EU-Ebene sicherlich in den nächsten ein, zwei Jahren eine Richtlinie der Kommission zur Rassendiskriminierung kommt“, zeigt sich Schindlauer optimistisch, kein Papier für die Schublade zu produzieren.

Tatsächlich gibt Artikel 13 des am 1. Mai in Kraft getretenen Amsterdamer Vertrages dem EU-Rat die Vollmacht, „auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments einstimmig geeignete Vorkehrungen (zu) treffen, um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen“. Diese Regelung ist das Resultat eines jahrelangen Lobbyings der „Starting Line-Gruppe“, einem auf EU-Ebene agierenden NRO-Netzwerkes.

Auch wenn der Artikel 13 relativ schwach ist, da er eine Gesetzgebung auf dem Gebiet der Antidiskriminierung gestattet, jedoch nicht fordert, sieht die Starting Line-Gruppe diesen als einen „großen Schritt vorwärts“ an.

Durch diesen Artikel hat die EU erstmals die rechtliche Kompetenz, Richtlinien gegen Diskriminierungen zu erlassen und ihre Mitgliedsstaaten aufzufordern, diese Richtlinien umzusetzen.

Bei der im vergangenen Dezember in Wien abgehaltenen EU-Konferenz zur „Bekämpfung der Diskriminierungen“ bekannte sich der EU-Kommissar für Arbeit und Soziales, Padraig Flynn, zu Maßnahmen gegen Diskriminierungen. Er kündigte dort ein Antidiskriminierungs-Paket an. Dieses soll eine Rahmenrichtlinie über Diskriminierungen am Arbeitsplatz und eine Richtlinie speziell zu rassischen Diskriminierungen enthalten.

Auch die österreichische Sozialministerin Lore Hostasch hat sich bei dieser Konferenz für die „Förderung der Chancengleichheit und den Kampf gegen die Diskriminierung“ ausgesprochen. Die Starting Line-Gruppe hat die PolitikerInnen beim Wort genommen und bereits einen Entwurf einer Ratsrichtlinie zur Beseitigung rassischer und ethnischer Diskriminierung ausgearbeitet.

Auch der Rücktritt der EU-Kommission kann die Richtlinie gegen Rassendiskriminierung nicht stoppen, ist sich Dieter Schindlauer sicher. „Diese Richtlinie wird in absehbarer Zeit kommen. Die österreichische Regierung hat jetzt zwei Möglichkeiten: Entweder wartet sie, bis von der EU die Richtlinie erlassen wird. Oder sie beweist Courage und wagt, bevor von außen der Druck kommt, einen Vorstoß und beschließt ein Antidiskriminierungsgesetz.“

Die Menschenrechtskoordinatorin des Bundeskanzleramtes, Ingrid Siess-Scherz, läßt noch offen, für welchen Weg sich Österreich entscheidet. Die Förderung der Ausarbeitung eines Entwurfes für ein Antidiskriminierungsgesetz sieht sie als ein positives Signal des Bundeskanzleramtes. Andererseits ist sie noch skeptisch, wie dieses Gesetz konkret ausschauen könnte.

Geht es nach den in diesem Bereich aktiven NROs, wird ein Antidiskriminierungsgesetz rechtliche Instrumente bieten, mit denen man sich gegen Diskriminierungen im Alltag eigenständig zur Wehr setzen kann. Der einzelne sollte die Chance haben, sich einen gleichberechtigten Zugang zu den gesellschaftlichen Ressourcen (Arbeit, Wohnung, Ausbildung usw.) zu verschaffen. Bei erfolgter Ungleichbehandlung aus rassischen Gründen sollten Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche sowie Genugtuung für den Betroffenen vorgesehen werden. Der Kern des Schutzbereiches wären vor allem der Wohnungs- und Arbeitsmarkt sowie die öffentlichen Bekanntmachungen in diesen Bereichen.

Damit das Gesetz auch greift, bräuchte es auch besondere Verfahrensregeln. Dieter Schindlauer hält eine „Beweislastumkehr“ für unbedingt notwendig. Demnach muß der Betroffene die Diskriminierung nur darlegen und der Diskriminierer muß seine Unschuld beweisen. Weiters wird sein Entwurf eine Verfahrenshilfe vorsehen, da sonst das Kostenrisiko die Betroffenen von der Verfahrensführung abhält. Auch die Möglichkeit einer Verbandsklage, d.h. die Legitimation der Klagsführung nicht durch den Betroffenen, sondern durch eine Institution als juristische Person, soll als Verfahrenserleichterung im Antidiskriminierungsgesetz enthalten sein.

Wie ein Antidiskriminierungsgesetz in der Realität funktioniert, zeigt sich in Großbritannien. Seit 1976 verbietet der bedeutendste von mehreren „Race Relations Acts“ jede Art der direkten oder indirekten Diskriminierung aus rassischen, ethnischen oder nationalen Gründen. Eine eigene Behörde, die „Commission for racial equality“, kontrolliert die Einhaltung dieser Bestimmungen. In den Niederlanden und in Belgien wurde bereits ein ähnliches System eingerichtet.

Nikolaus Kunrath vom „Europäischen Netzwerk gegen Rassismus“ hält es für realpolitisch machbar, daß es in Österreich in spätestens zwei Jahren ein Antidiskriminierungsgesetz gibt. „Im Menschenrechtsjahr 1998 haben die NROs einiges erreicht: Es gibt heute Menschenrechtsverantwortliche in allen Ministerien und Landesregierungen, und es wird von Dieter Schindlauer ein Entwurf für ein Anti-Diskriminierungsgesetz ausgearbeitet. Die UN-Weltkonferenz gegen Rassismus im Jahr 2001 wäre ein guter Anlaß, bis dahin ein Antidiskriminierungsgesetz beschlossen zu haben.“

Der Autor ist Politikwissenschaftler und lebt in Wien.

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