… wie die Pass Egal 2024 ausgegangen ist und, was noch mehr zählt als das Wahlergebnis, erklärt die Geschäftsführerin von SOS Mitmensch, Gerlinde Affenzeller.
Bei der diesjährigen Pass Egal Wahl zum Nationalrat hat erstmals die SPÖ gewonnen: Woran liegt das Ihrer Meinung nach und was lässt sich daraus schließen?
Das ist schwer zu sagen, da das Ergebnis der Pass Egal Wahl nicht repräsentativ ist. Fest steht aber: Die Wahlbeteiligung war so hoch wie nie zuvor. Erstmals inkludiert, sind die Stimmen von Schüler:innen ab 16 Jahren, und zwar 12.000 aus 74 teilnehmenden Schulen, die Hälfte davon aus Wien. Insgesamt haben in allen Bundesländern 20.000 Menschen gewählt. Obwohl viele von ihnen schon seit zehn Jahren und mehr in Österreich leben, oder sogar hier geboren wurden, haben sie die Staatsbürger:innenschaft nicht bekommen und sind somit von der Wahl ausgeschlossen. Das sind 1,5 Millionen Menschen im ganzen Land, Tendenz steigend.
Wie interessiert zeigen sich denn die Parteien an den Ergebnissen der Pass Egal Wahl?
Ich glaube, dass sie sich alle die Ergebnisse ansehen. Von einer Schule wissen wir, dass ein Politiker wissen wollte, wie dort gewählt wurde. Von uns als Veranstalter werden aber weder die Ergebnisse einzelner Schulen, noch aller Schulen zusammen ausgewertet. Uns geht es vielmehr um die symbolische Wahl als Prozess. Wichtig ist es, eine Öffentlichkeit für den Wahlausschluss zu bekommen.
Inwiefern?
Die Schüler:innen lernen mit 16 Jahren, wie wichtig das Wahlrecht in einer Demokratie ist. Gleichzeitig wird im österreichischen Durchschnitt jeder und jedem Fünften dieses vorenthalten, obwohl er oder sie hier den Lebensmittelpunkt hat, hier geboren oder aufgewachsen ist. Schulen, die an der Pass Egal Wahl teilnehmen, werden von uns bei der Simulation einer demokratischen Wahl unterstützt. Die Schüler:innen lernen, wie das funktioniert und, dass ihre Stimme zählt – zumindest auf einer symbolischer Ebene.
Sie waren schon bei sechs Pass Egal Wahlen dabei – wie ist denn die Stimmung unter den Wähler:innen, wenn sie zur Urne schreiten?
Man spürt, wie wichtig diese symbolische Wahl den Anwesenden ist, sie berührt alle. Eine Frau hat mir heuer erzählt, dass sie schon seit 40 Jahren ohne die österreichische Staatsbürger:innenschaft in Wien lebt und sich freut, zumindest bei dieser Wahl mitstimmen zu können. Dann bin ich einer Gruppe von Frauen begegnet, die von einem Volkshochschulkurs gekommen ist, um am Yppenplatz in Ottagkring im Rahmen der Abschlussveranstaltung zu wählen, sie hatten alle ziemlich gute Laune.
Und 2020 bei der Wien-Wahl waren wir verblüfft, wie lange die Schlange vor den drei Wahlkabinen beim Rathaus war – bis zum Abgang der U-Bahnstation sind die Menschen geduldig angestanden. Damit sie nicht gehen, haben wir ad hoc eine vierte Wahlkabine organisiert und die Wartenden mit Brötchen versorgt.
Was ist Ihr erster Wunsch an die Gewinner-Partei dieser Wahl?
Der Wunsch geht an alle Parteien: Es muss sich etwas ändern! Entweder muss das Wahlrecht von der Staatsbürger:innenschaft entkoppelt werden – aber das bräuchte eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament. Eine Alternative wäre es, wenn die Hürden zur Verleihung der Staatsbürger:innenschaft abgebaut würden – vor allem die finanziellen! Im Moment werden nur sechs oder sieben von 1.000 Nicht-Staatsbürger:innen eingebürgert. In Deutschland sind es doppelt so viele und im EU-Schnitt vier Mal so viele.
Apropos, Geld. Wann steht die nächste Pass Egal Wahl an und, wie wird sie finanziert?
Die nächste machen wir im Zuge der Wien-Wahl 2025. Wie auch unsere gesamte Arbeit wird sie durch Privatspenden und den Erträgen aus einer Kunstauktion ermöglicht.
Interview: Christina Schröder
Detaillierte Infos zur Wahl und Spenden an SOS Mitmensch
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