„Nach wie vor marginalisiert“

Von Irmgard Kirchner · · 2006/06

Christoph Gütermann ist seit über 30 Jahren in der Entwicklungszusammenarbeit mit Burkina Faso engagiert. Südwind-Redakteurin Irmgard Kirchner sprach mit ihm über Veränderungen und Perspektiven in dem Schwerpunktland der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (ÖEZA).

Südwind: Sie kennen Burkina Faso seit 1976 sehr gut. Hat sich in diesen vergangenen 30 Jahren das Alltagsleben für die gewöhnlichen Leute an der Basis zum Besseren verändert?
Gütermann:
30 Jahre Entwicklungszusammenarbeit sind an den Dörfern nicht spurlos vorbeigegangen. In Randbereichen hat sich einiges verändert. Es gibt mehr Infrastruktur. Doch die grundlegende Situation ist gleich geblieben. Vor 30 Jahren habe ich mir gedacht, wenn ich einmal alt bin, komme ich sicher nach Burkina Faso zurück. Ich habe mir vorgestellt, dass ich dann ein ganz anderes Land vorfinde auf Grund der ganzen Anstrengungen, die unternommen werden und wurden. Jetzt bin ich ständig mit Burkina Faso in Kontakt und sehe die Veränderungen nicht so augenscheinlich, weil ich mit ihnen lebe. Doch wenn ich einen Schritt zurücktrete, muss ich sagen, dass sich meine optimistischen Vorstellungen von 1976 in keiner Weise erfüllt haben.

Was hat sich ganz konkret verändert, etwa im Bereich Infrastruktur?
Es gibt eine bessere Wasserversorgung, mehr Gesundheitszentren, es gibt diese Dämme gegen die Wüstenbildung, mit denen Wasser zurück gehalten wird. Diese fangen jetzt allerdings schon an, wieder zu versanden. Sie sind vor 30 Jahren gebaut worden und seither gab es kaum Erhaltungsmaßnahmen.
Das alles ist schön und gut. Nur nützt es nichts, wenn sich nicht die grundlegende Situation ändert: Die Bauern bekommen viel zu wenig Geld für ihre Produkte und sind daher nach wie vor marginalisiert.

Das geht über die Aufgaben der Entwicklungszusammenarbeit hinaus.
Ja, es sind die globalen Rahmenbedingungen, die die Dritte Welt und die Bauern dort ganz besonders benachteiligen. Die Landwirtschaft in Burkina Faso kann sich nicht vor Billigimporten schützen. Die Bauern können nicht am Weltmarkt konkurrieren. Denn die Landwirtschaft Europas und US-Amerikas schützt sich selbst sehr wohl und sehr massiv. Wenn der Welthandel wenigstens das wäre, was von den Amerikanern und anderen seiner Befürworter propagiert wird, nämlich frei und ausgeglichen, dann hätten die Bauern der Dritten Welt ja einen Preisvorteil.

Welche Perspektive sehen Sie für die nächsten 30 Jahre?
Ich traue mich nicht, eine genaue Prognose abzugeben. In der großen Richtung wird es sicher so weitergehen wie bisher. Es werden sich nur marginale Verbesserungen ergeben. Zu hoffen ist, dass es keine Katastrophen gibt, etwa Epidemien ausbrechen. Das Gesundheitssystem in Burkina Faso ist zwar besser geworden, aber noch lange nicht gut. Die Gesundheitssituation der Bevölkerung ist prekär. Die Menschen sind für Epidemien viel anfälliger als wir wohlgenährte Europäer.

Burkina Faso ist unter den Spitzenreitern in Afrika, was den Empfang von internationaler Entwicklungshilfe angeht. Was sind die wichtigsten Auswirkungen davon?
Bei der Infrastruktur gibt es viele Fortschritte. Es werden Straßen gebaut, die allerdings manchmal rasch auch wieder kaputt gehen – weil möglicherweise doch nicht alle Mittel ihr Ziel erreichen und vorher etwas abgezweigt wurde. Burkina Faso hat ein zweifelhaftes politisches Regime. An der Oberfläche wird Demokratie praktiziert, in Wahrheit ist es nach wie vor ein sehr autokratisch regiertes Land. Der Präsident greift zu Verfassungsänderungen, um sich weiter an der Macht zu halten. Und diese Scheindemokratie wird mit einer riesigen Maschinerie aufrechterhalten.
1990, nach der Revolution von Thomas Sankara, war ein deutlicher Unterschied zu 1980 zu sehen: in der Selbstbehauptung des Volkes, vor allem in der Selbstachtung der Menschen. Inzwischen ist man wieder in eine Haltung zurückgefallen, dazusitzen und zu warten, dass etwas geschieht und Hilfe kommt. Ohne selbst die Initiative zu ergreifen. Das gilt sicher nicht für alle, aber die Tendenz dazu besteht eindeutig.


Christoph Gütermann ist Geschäftsführer von Austroprojekt, einem 1995 gegründeten Beratungsunternehmen, das Projekte vor allem im Bereich ländliche Entwicklung durchführt. Für die ÖEZA wickelte Austroprojekt bisher mehr als 125 Projekte mit einem Gesamtvolumen von über 50 Millionen Euro ab.

Basic

Berichte aus aller Welt: Lesen Sie das Südwind-Magazin in Print und Online!

  • 6 Ausgaben pro Jahr als Print-Ausgabe und/oder E-Paper
  • 48 Seiten mit 12-seitigem Themenschwerpunkt pro Ausgabe
  • 12 x "Extrablatt" direkt in Ihr E-Mail-Postfach
  • voller Online-Zugang inkl. Archiv
ab € 25 /Jahr
Abo Abschließen
Förder

Mit einem Förder-Abo finanzieren Sie den ermäßigten Abo-Tarif und ermöglichen so den Zugang zum Südwind-Magazin für mehr Menschen.

Jedes Förder-Abo ist automatisch ein Kombi-Abo.

84 /Jahr
Abo Abschließen
Soli

Mit einem Solidaritäts-Abo unterstützen Sie unabhängigen Qualitätsjournalismus!

Jedes Soli-Abo ist automatisch ein Kombi-Abo.

168 /Jahr
Abo Abschließen