Nach dem Sturm

Von Redaktion · ·
© Unsplash/NASA

Was die Klimakrise mit Flucht und Migration zu tun hat, zeigt die Geschichte einer Familie in Myanmar, aufgezeichnet von jungen Klimaaktivist:innen. Es ist ein Auszug aus dem neu erschienenen Booklet „Beyond the Tales“.

Von Nora Kriechbaum


Ich lernte Naw im Mai 2023 kennen, als wir mit Hilfe moderner Technologie miteinander sprachen, ich in der Bequemlichkeit meines eigenen Hauses in Wien und Naw inmitten üppiger grüner Vegetation unter einem Holzdach in Hpa-an, der Hauptstadt von Karen State, Myanmar, wo sie jetzt lebt.
Es ist ein kalter, regnerischer Nachmittag bei mir, und die Sonne scheint auf Naws Gesicht, als sie sich vorstellt: Naw Eh Wah ist 37 Jahre alt. Sie hat vier Töchter, die fünfzehn, elf, sieben Jahre und vier Monate alt sind.
Naw macht eine Pause, bevor sie langsam fortfährt: „Mein erstes Kind war ein Bub. Er starb im Mai 2008 während des Zyklons, als er erst drei Jahre und elf Monate alt war.“

Naw stammt aus dem kleinen Dorf Talupartaw in der Division Ayeyarwady. Das Dorf liegt am Fluss Irrawaddy.

Zyklon trifft auf Dorf. Naw erinnert sich mit ernstem Ton in ihrer Stimme: „An dem Tag, an dem der Zyklon das Dorf zerstörte, war es windig. Um 13 Uhr hörten die Menschen im Radio, dass sie früh kochen und sich dann an einen sicheren Ort begeben sollten, weil es einen ‚starken Wind´ geben würde. Aber wir haben nicht gegessen. Wir hatten nicht erwartet, dass der Sturm so stark sein würde. So etwas war in unserem Dorf noch keiner Generation zuvor passiert, und die Menschen wussten nicht, was sie machen sollten, wenn sich ein Wirbelsturm dem Land näherte.“

Naw fährt fort: „Das Wasser stieg schnell und einige Menschen eilten in die Kirche, die groß und hoch genug schien, um vor den Fluten sicher zu sein. Aber das Wasser stieg so hoch, dass sie auf dem Dach des Gebäudes festsaßen, als der Zyklon das Dorf traf. Fast alle Menschen, die dort auf dem Dach der Kirche festsaßen, starben“, erklärt Naw. „Es gab einen großen Sturm und Überschwemmungen. Ich verlor den Kontakt zu meinen Familienmitgliedern. Alle versuchten zu überleben, indem sie sich an irgendetwas festhielten, das auf dem Wasser schwamm, damit sie nicht ertranken. Ich überlebte, indem ich mich an einen Baum klammerte und versuchte, mich vor dem Sturm zu verstecken. Das Wasser bedeckte alles, auch mein Haus. Als der Morgen anbrach, stellte ich fest, dass alles weg war. Mein Haus war zerstört und wir hatten unseren kleinen Sohn verloren. Mein Onkel und seine Familie kamen alle ums Leben. Von den 100 bis 200 Haushalten des Dorfes starben etwa 30 meiner Verwandten Und insgesamt mehr als hundert Menschen. Es war nicht leicht, das Dorf zu verlassen und ein neues Leben zu beginnen“, so Naw.

Nora Kriechbaum hat Kultur- und Sozialanthropologie und Volksschullehramt studiert und arbeitet zur Zeit als Volksschullehrerin in Wien.

Erfahren Sie mehr über die Geschichte von Naw und ihrem Dorf im Booklet und Projekt „Beyond the Tales“, das sich dem Thema Klimamigration widmet und das in Österreich von Südwind umgesetzt wird.

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