Eine neu erschienene Kompilation erinnert an Sega-Klassiker.
Gerade auch wieder in diesen Tagen wünschen sich viele Menschen auf eine Insel. Einigermaßen einsam vielleicht, damit es zu möglichst wenig unerwünschter Konfrontation kommt. Etliche machen sich dann auch tatsächlich auf den Weg (mit dem „umweltfreundlichen“ Flieger natürlich) und finden sich alsbald meist völlig überrascht inmitten von Mit-TouristInnen wieder. Das ist ein guter Spaß. Wer einen recht langen Weg zurücklegen möchte, könnte es ja einmal mit Mauritius versuchen. Nicht, dass dort jetzt alles eitel Wonne und Sonnenschein wäre, aber recht abgelegen ist es schon. Das afrikanische Festland 1.700 Kilometer entfernt, Madagaskar ca. 870 Kilometer weit weg. Einzig das französische Übersee-Departement La Réunion befindet sich läppische 200 Kilometer weit westlich.
Identität durch Sega. Wie sich denken lässt, ist auch Mauritius ein Staat, der keine homogene Bevölkerungsstruktur vorzuweisen hat. Die lange Periode der Kolonialpolitik und des Sklavenhandels beförderte Menschen aus Afrika, Europa, Indien, China und den arabischen Ländern nach Mauritius. Gesprochen wird bevorzugt Morisyen, eine auf dem Französischen basierende Kreolsprache. Obwohl sich nach Frankreich zuletzt die Briten lange und bis 1968 eingenistet hatten: Das Volk jedenfalls spricht und singt Morisyen. Natürlich auch, wenn Sega gespielt wird. Denn Sega ist der Musikstil, der sich aus den verschiedenen heimatlichen Musiken der versklavten Bevölkerung zu einer Eigenständigkeit entwickelt hat. Getanzt wird dazu, ohne die Beine zu bewegen. Denn mit Ketten an den Füssen lässt es sich schlecht bewegen. Das wurde beibehalten. Trotzdem lässt sich auch so mit diesem Tanz im Grunde der Geschlechtsakt imitieren. Wichtig im traditionellen Instrumentarium ist die Ravanne. Das ist eine einfache Trommel, die über dem Feuer erhitzt wird, damit das Fell weicher wird. Dazu gesellt sich das Triangel, das im Shuffle angeschlagen wird. So entsteht ein ganz eigener Rhythmus, der ziemlich sprunghaft klingt. Dazu können Moutia (Handtrommel), Bobre (Fidel) und Maravanne (Rassel) kommen.
Soul, Funk und Beat. Aber natürlich lässt sich auch diese Musik sinnvoll erweitern und ergänzen. Das beweist eine Kompilation, bestehend aus 20 Titeln, die soeben auf dem Label Strut herausgegeben wurde. Abgedeckt wird die Periode zwischen 1973 und 1979. Es war die Zeit, als sich westliche Einflüsse bemerkbar machten und auch schon elektrische Instrumente verwendet wurden. Durchwegs mitreißende Sega-Klassiker der 1970er sind hier zu hören.
„Soul Sok Sega“ wurde vom in La Réunion beheimateten DJ Duo La Basse Tropicale (Natty Hô und Antoine KonsöLe) zusammengestellt. (Strut Records, Vertrieb: Hoanzl)
Werner Leiss ist Musikkritiker des Südwind-Magazins und Redakteur des „Concerto“, Österreichs Musikmagazin für Jazz, Blues und Worldmusic.
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