Ralph Klein
Sachbuch. Verlag Assoziation A, Berlin/ Hamburg 2012, 132 Seiten, EUR 12,-
Ein Herz für Piraten hat der Historiker Ralph Klein. Zumindest zeigt er Verständnis für die Kapertätigkeit vor dem Horn von Afrika. Schließlich war dort Piraterie schon vor 2.000 Jahren verbreitet. Und im 19. Jahrhundert entwickelte sie sich zu einer einträglichen Industrie, die den Kolonialmächten, die nach und nach den ganzen Kontinent untereinander aufteilten, Ärger bereitete.
Es gelingt dem Autor, verständlich zu machen, dass für die somalischen KüstenbewohnerInnen aus Europa und den USA nie Gutes gekommen ist. Deswegen sehen sie die Lösegelderpressungen auch nicht als Verbrechen, sondern als legitimen Erwerbszweig. Was der Westen als Problem Somalias betrachtet, nämlich die mangelnde Staatlichkeit und das Fehlen einer effektiven Zentralgewalt, war bis zur Gründung des Staates Somalia im Jahre 1960 der Normalzustand. Auf Nahrungsmittelhilfe war die Bevölkerung aber nie angewiesen.
Was dann folgte, war eine Kette von menschengemachten Katastrophen: der anfangs von der Sowjetunion, dann vom Westen unterstützte Präsident Siyad Barre ruinierte das Land durch Hochrüstung und einen Krieg gegen Äthiopien um die somalisch bevölkerte Provinz Ogaden. Dann traten die Weltbank und der Internationale Währungsfonds auf den Plan, vernichteten die traditionelle nomadische Wirtschaft und zerschlugen die prekäre staatliche Infrastruktur. Nahrungshilfe aus den USA tat das Ihre, um die lokalen Produkte vom Markt zu fegen. Es bedurfte nur mehr einer größeren Dürre, um das Land zum Schauplatz von Hungersnöten zu machen.
Im Jahre 2010 wurden die erbeuteten Lösegelder auf zwischen 100 und 200 Millionen US-Dollar geschätzt. Dennoch seien diese Summen wie die Gefahr der Piraterie insgesamt zu relativieren, meint der Autor. Von 22.000 Schiffen, die jährlich die ostafrikanische Küste passieren, würden nur wenige hundert von Piraten attackiert. 60 bis 90 Prozent der Kaperversuche schlügen außerdem fehl. Auch die Befürchtung des Westens, dass die Piraterie die islamistischen Al Shabaab Milizen finanziere, sei ein Mythos. Die militaristische Antwort des Westens auf die Bedrohung der freien Seefahrt wird in diesem Essay als völlig überzogen beurteilt.
Ralf Leonhard
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