Mit dem Pinsel gegen Putin

Von Richard Solder · · 2014/04

Abseits politischer und medialer Debatten rund um die Entwicklungen in der Ukraine und Russland wurden drei Kunstschaffende in Wien aktiv. Mit „Say it“ starteten sie eine Kultur-Initiative, die vermitteln will.

Sie sind ein originelles Trio: Anna Khodorkovskaya, Anastasiya Yarovenko und Hans Knoll. Angesichts der Entwicklungen in der Ukraine und in Russland wollten die zwei Kunststudentinnen der Akademie der bildendenden Künste Wien und der etablierte Galerist „etwas machen“. Die Russin Khodorkovskaya, die Ukrainerin Yarovenko und der Osteuropa-affine Österreicher Knoll sahen die Kunst in der Pflicht. Alle drei waren nicht glücklich damit, wie – da wie dort – über die Geschehnisse öffentlich diskutiert wurde. Sie starteten die Initiative „Say it“ („Sag es”).

Die Ausstellungen reichen von Malerei bis zu Video- und Sound-Installationen und werden mit Diskussionen kombiniert. Zwei aufeinander folgende Termine widmen sich jeweils einem Land. Ausgetauscht, diskutiert und reflektiert wird in einem etwas heruntergekommenen Kunstraum in einem Hinterhof im sechsten Wiener Gemeindebezirk.

„Say it“ ist eine Privatiniative, die ohne Förderung auskommt. Dafür mit einem Hauch Improvisation: „Wir müssen wieder den Elektriker rufen“, sagt Knoll, nach einem Kurzschluss und unfreiwilligem Stopp der Videoinstallation während eines Lokalaugenscheines des Südwind-Magazins. Woraufhin das ungleiche Trio die Köpfe zusammen steckt und sich berät.

Die ersten zwei Ausstellungstermine waren der  Ukraine gewidmet, im März drehte sich alles um Russland. „Say it“ ist dabei – dem Titel entsprechend – für alle offen, die sich einbringen wollen. So schickten KünstlerInnen aus Russland Werke nach Wien und hier lebende RussInnen stellten aus. Österreichische KünstlerInnen ergänzten spontan das Feld, das von jeweils einer verantwortlichen Person des Trios zusammengestellt wird. Die Initiative will dabei nicht direkt politisch sein. Das überlassen die OrganisatorInnen gerne AktivistInnen, etwa der Euromaidan-Plattform, die im Web für die Anliegen der ukrainischen Bewegung einsteht. „Dass der Kulturbereich aktiv wird, das hat uns gefehlt“, betont Anastasiya Yarovenko. „Uns geht es um Themen wie Information, Zensur und künstlerische Freiheit“, so die Malerin.

Allerdings, darüber sind sich alle drei einig, müssen Künstlerinnen und Künstler aufpassen, dass sie durch Politik nicht vereinnahmt werden und dadurch ihre Unabhängigkeit verlieren. Auch in Hinblick auf eine Teilnahme bei „Say it“ zögern manche Teilnehmerinnen und Teilnehmer erst.

Russische Künstlerinnen und Künstler hätten in Österreich die Chance, völlig frei zu agieren. Angst, bei zu „kritischen“ Werken Probleme zu bekommen – etwa bei einer Rückkehr nach Russland – habe niemand. Schwierig sei die Situation für die Kolleginnen und Kollegen, die ständig in Russland leben. „Dort findet die Politik Gründe, um zu intervenieren“, so Galerist Knoll. Der Staat sei mittlerweile etwa so eng mit der Kirche verbunden, dass er sich bei Zensur auf die Rechte der Gläubigen berufen kann. Der Respekt für das Kunstkollektiv Pussy Riot ist groß bei Khodorkovskaya, Yarovenko und Knoll – umso mehr, als sich die drei mit der Situation von Künstlerinnen und Künstlern im Staat von Präsident Vladimir Putin beschäftigen.

Und es tut sich auch abseits von Pussy Riot etwas. Sowohl in Russland als auch in der Ukraine habe es laut „Say it“-Team lange Zeit nur klassische Kunst-Ausbildungen gegeben. Die Einrichtungen seien durchwegs traditionell und konservativ. Erst in der jüngeren Vergangenheit konnten sich daneben kleine, progressive Schulen und damit alternative Szenen bilden. Ein Beispiel dafür ist die Rodchenko Art School in Moskau, die 2006 gegründet wurde. Die Schule fokussiert auf Fotografie und Multimedia-Kunst.

In der Ukraine sei die neue Generation der Künstlerinnen und Künstler sehr direkt politisch. Die meisten seien noch durch die „Orange Revolution“ im Jahr 2004 geprägt. Ein bestimmendes Genre oder eine bevorzugte Kunst-Technik gebe es dabei nicht. Verbunden sei diese Generation durch einen revolutionären Anspruch. Ein Vertreter sei etwa Anatoliy Byelov, der in seinen Grafiken und seiner Street Art die Themen Homosexualität und Körperlichkeit thematisiert.

Nach wie vor sind es laut Khodorkovskaya, Yarovenko und Knoll Städte wie Berlin und London, die Künstlerinnen und Künstler anlocken, auch aus osteuropäischen Ländern. Wien habe trotz geografischer Lage keine Sonderstellung. Vielleicht kann „Say it“ einen kleinen Beitrag dazu leisten, das zu ändern. Das Trio hinter der Initiative will auf jeden Fall weiter machen und zudem Staaten abseits von Russland und der Ukraine Platz einräumen. Als nächstes, am 13. April, ist Ungarn dran. Dabei muss es nicht immer Osteuropa sein: Selbst Länder wie Syrien fänden sie für ihr Projekt interessant. 

Infos: www.facebook.com/sayitevents

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