Menschenrechte müssen erkämpft werden

Von Redaktion · · 2018/Sep-Oct

Der renommierte Anwalt Wolfgang Kaleck spricht mit Tobias Lambert von Südlink über die juristische Arbeit gegen mächtige Gegner.

Das „European Center for Constitutional and Human Rights“ (ECCHR) in Berlin verklagt Staaten, staatliche AkteurInnen und Unternehmen, die Menschenrechte verletzen. (Weitere ausführliche Informationen zur Arbeit des ECCHR finden Sie im Südwind-Magazin 5/2015.)

Seit mehr als zwei Jahrzehnten arbeiten Sie daran, Menschenrechte juristisch durchzusetzen. Was heißt das konkret?

Menschenrechte haben einerseits eine politisch-utopische Dimension, sind aber andererseits auch im geltenden Recht verankert. Daher gibt es für von Menschenrechtsverletzungen betroffene Personen viele Möglichkeiten, um beispielsweise gegen Folter rechtlich vorzugehen oder auch ihre wirtschaftlichen und sozialen Rechte einzuklagen. Klar ist aber, dass Menschenrechte politisch erkämpft werden müssen. Und zwar gegen erhebliche Widerstände von wesentlich mächtigeren Akteuren als uns.

Wolfgang Kaleck ist Fachanwalt für Strafrecht und Generalsekretär des von ihm 2007 mitgegründeten „European Center for Constitutional and Human Rights“ (ECCHR) in Berlin.

Das von Ihnen gemeinsam mit anderen Anwälten und Anwältinnen gegründete ECCHR hat gerade sein zehnjähriges Bestehen gefeiert. Wie fällt die bisherige Bilanz aus?

Zehn Jahre sind zu früh für eine Bilanz. Wenn man sich im Völkerrecht auskennt und um die Dauer der Verfahren weiß, ist das kein langer Zeitraum. Im Bereich des Völkerstrafrechts ist seit Jahren klar, dass Folter, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen bestraft werden müssen. Aber es muss auch immer Richter und Richterinnen, Staatsanwälte und -anwältinnen geben, die dazu bereit sind, den jeweiligen Fall aufzunehmen. Und da gibt es unabhängig von der politischen Ausrichtung der Täter und Täterinnen große Probleme.

Besonders schwierig wird es bei mächtigen Akteuren. Das betrifft nicht nur den Westen, sondern auch Staaten wie Russland, China oder Indien, die sich kaum durch internationale Regeln binden lassen. Und noch schlimmer sieht es im Bereich der wirtschaftlichen und sozialen Rechte aus, wo transnationale Unternehmen ihren Einfluss geltend machen, um nicht rechtlich belangt zu werden.

Manche sehen darin einen Widerspruch, innerhalb desselben Rechtssystems, das die Mächtigen schützt, gegen diese zu klagen. Was entgegnen Sie dieser Kritik?

Wir leben in einer ungerechten Welt, in der sich Machtverhältnisse in allen möglichen Teilsystemen manifestieren, ob das nun Wirtschaft, Politik oder Recht ist. Die Frage ist, setzen wir uns in solch einer Welt für mehr und globale Gerechtigkeit ein oder lassen wir es sein, weil wir davon ausgehen, dass am Ende sowieso die Mächtigen das Sagen haben. Wir sind uns der Ambivalenzen bewusst, aber es wäre politisch fahrlässig, nicht auch das Recht auszunutzen.

Wieviel Politik steckt in der juristischen Arbeit des ECCHR?

Das wird jedes Mal neu ausgehandelt. Wer uns in der Gesamtschau betrachtet, sieht, dass wir uns mit vielen unterschiedlichen Menschenrechtsverletzungen befassen. Allerdings werden wir nicht auf der Seite derer tätig, die ohnehin das Geld und die Macht haben, sondern stehen auf der Seite der sprichwörtlich Ent-Rechteten, derer, die keinen oder kaum Zugang zu Recht haben.

In den vergangenen Jahren ist weltweit eine Zunahme von politischem Autoritarismus zu beobachten. Was für eine Wirkung hat es, wenn immer mehr Regierungen die Menschenrechte verletzen?

Je mehr Staaten sich an das Völkerrecht halten, desto größer wird der Druck auf diejenigen, die das nicht tun. Seit einigen Jahren brechen aber auch westliche Staaten vermehrt das Recht. Das ist eine verhängnisvolle Tendenz. Gerade wenn man sich die Felder Migration und Terrorismusbekämpfung anschaut, haben sich zum Beispiel Dänemark, Großbritannien oder Frankreich alles andere als korrekt verhalten, um gar nicht erst von anderen Ländern wie Polen, Ungarn, der Türkei oder Russland zu sprechen.

Sie arbeiten mit zahlreichen lokalen Organisationen, vor allem im globalen Süden, zusammen. Welche Auswirkungen hat der wachsende Autoritarismus auf deren Arbeit?

Wir sehen, dass weltweit die Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger und -verteidigerinnen zunehmen und gleichzeitig die Räume für die Zivilgesellschaft schwinden. Das sind schon erhebliche Rückschläge. Denn unsere Arbeit macht nur Sinn, wenn wir Kooperationspartner und -partnerinnen in den betroffenen Regionen haben. Wenn ihnen das Leben schwer gemacht wird, dann ist es auch für uns schwierig, zu handeln.

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