Die UN-Menschenrechtskommission (MRK) befasste sich auf der eben zu Ende gegangenen Jahrestagung erneut mit der sozialen Verantwortung transnationaler Konzerne und anderer Wirtschaftsunternehmen.
Die negativen Folgen einer rein wirtschaftlichen Globalisierung sind weithin sichtbar. Einige der Verlierer dieser Globalisierung aus Brasilien, Indien, Myanmar und deren VertreterInnen aus der Demokratischen Republik Kongo haben darüber am Rande der diesjährigen Sitzung der Menschenrechtskommission in Genf beredtes Zeugnis gegeben. Bereits 1999 hatte das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) eine stärkere politische Steuerung der Globalisierung gefordert. Anfang der 1990er Jahre war ein auf dieses Ziel gerichteter Versuch innerhalb der UN gescheitert. Nun ist die Debatte im Rahmen der „Normen der Vereinten Nationen für die Verantwortlichkeiten transnationaler Unternehmen und anderer Wirtschaftsunternehmen im Hinblick auf die Menschenrechte“ (kurz: UN-Normen) wieder aufgelebt.
Die UN-Normen wurden von einem UN-Expertengremium in einem mehr als vierjährigen Prozess entwickelt und im August 2003 ohne Gegenstimme verabschiedet. Zur weiteren Beratung wurden sie an die mit Regierungsvertretern besetzte Menschenrechtskommission verwiesen. WissenschaftlerInnen, NGOs, Gewerkschaften und Unternehmen konnten sich nun in öffentlichen und nicht-öffentlichen Anhörungen und im Rahmen schriftlicher Stellungnahmen aktiv an der Entwicklung der Normen beteiligen.
Die insgesamt 23 Normen wurden auf der Grundlage bestehender internationaler Konventionen und Richtlinien zur menschenrechtlichen Verantwortung von Unternehmen entwickelt. Vorbildliche freiwillige Initiativen wurden ebenfalls berücksichtigt. Jede Norm wird von einem Kommentar begleitet. Der Kommentar gibt Regierungen, Unternehmen, Gewerkschaften, NGOs und anderen Interessierten Hilfestellung bezüglich der jeweiligen Berufungsgrundlage für die einzelne Norm sowie bei der praktischen Umsetzung.
Die UN-Normen gehen von einem umfassenden Menschenrechtsverständnis aus. Die Hauptverantwortung dafür, „die im Völkerrecht wie im innerstaatlichen Recht anerkannten Menschenrechte zu fördern, ihre Einhaltung zu sichern, sie zu achten, ihre Achtung zu gewährleisten und sie zu schützen“ Diese richtet sich in erster Linie an die Staaten; bei Unternehmen sehen die UN-Normen eine Verantwortung „innerhalb des eigenen Tätigkeits- und Einflussbereiches“.
Um Transparenz und Effektivität der Umsetzung zu gewährleisten, sind die Unternehmen aufgefordert, unternehmensinterne Regelungen in Übereinstimmung mit den UN-Normen zu entwickeln und über deren Umsetzung regelmäßig Bericht zu erstatten.
Des Weiteren soll die Umsetzung der Normen von den Vereinten Nationen sowie von „bestehenden oder noch zu schaffenden internationalen und nationalen Mechanismen“ überprüft werden.
Vor allem namhafte Arbeitgeberorganisationen, allen voran die „International Organisation of Employers“, laufen Sturm gegen die UN-Normen. Ähnliches gilt für die US-Regierung. In der Europäischen Union gibt es ebenso unterschiedliche Auffassungen wie innerhalb der Entwicklungsländer. Von dort kamen dieses Jahr jedoch die eindeutigsten Stimmen für eine soziale Regulierung unternehmerischer Macht, während die Position der EU insgesamt verhaltener ausfiel.
Der diesjährigen 61. Jahrestagung der MRK in Genf, die am 22. April zu Ende ging, lag ein Bericht des Büros der Hochkommissarin für Menschenrechte vor, der bestehende Instrumentarien zur sozialen Verantwortung von Unternehmen zusammenstellt, grob analysiert sowie offene Fragen definiert. Nach Ansicht zahlreicher Regierungen wie NGOs ist der Bericht umfassend und ausgewogen. Er empfiehlt der MRK, vier Instrumente zur menschenrechtlichen Verantwortung von Unternehmen eingehender miteinander zu vergleichen – darunter die o.g. UN-Normen – sowie die Begriffe „Einflussbereich“ und „Komplizenschaft“ eines Unternehmens bei Menschenrechtsverletzungen genauer zu definieren.
Auch von der heurigen Jahrestagung wird kein abschließendes Ergebnis in der Diskussion über die UN-Normen erwartet. Nach erneut sehr kontroverser Debatte besteht jedoch weitgehender Konsens darüber, die Diskussion mit allen Interessensgruppen weiterzuführen und eine/n unabhängige/n BeraterIn des UN-Generalsekretärs einzusetzen, unter deren/dessen Leitung diese Diskussion mit einem allgemein gehaltenen und offenen Mandat weitergeführt werden soll. Diese/r soll ein Mandat für zwei Jahre erhalten und der 62. Sitzung der MRK einen Zwischenbericht und 2007 einen Abschlussbericht vorlegen. Ein entsprechender Resolutionsentwurf wurde am 20. April mit großer Mehrheit verabschiedet.
Literaturhinweis
UN-Normen für die Wirtschaft – Menschenrechtliche Verantwortung von Unternehmen.
Reihe „Dritte Welt Informationen“, Heft 3/4/2005. Bezugsadresse: Zeitschrift Entwicklungspolitik, Postfach 50 05 50, D-60394 Frankfurt/Main
Die Autorin arbeitet seit April 2003 als Menschenrechtsreferentin in der Abteilung Entwicklungspolitik des Bischöflichen Hilfswerkes MISEREOR in Aachen, Deutschland.