Mende Nazer (mit Damien Lewis): Sklavin

Von Thomas Hartl · · 2003/03

Aus dem Englischen von Karin Dufner. Schneekluth Verlag, München 2002, 336 Seiten, € 19,90

Wir hören es, nehmen es bedauernd zur Kenntnis, können uns aber kein genaues Bild machen, denn niemand von uns hat es je erlebt, das „Leben“ als Sklave. Damit ist jetzt Schluss, denn mit Erscheinen des Bestellers „Sklavin“ bohrt sich das Schicksal eines kleinen Mädchens in die Welt der LeserInnen, ein Schicksal, unfassbar und erschütternd sondergleichen (vgl. SWM 1-2/03 S.28/29). Zusammen mit dem britischen Journalisten Damien Lewis hat Mende Nazer die Geschichte ihrer Gefangenschaft zu Papier gebracht. Nachdem sie bereits mit zwölf Jahren aus ihrem sudanesischen Dorf entführt und als Sklavin verkauft wurde, lebt die 22-jährige heute in London und hat nach Monaten der Ungewissheit nun nach langem Kampf endlich Asyl erhalten.
Auf den ersten hundert Seiten schildert Mende das harmonische Leben einer Nuba-Familie im Süden des Sudan. Sie verlebt eine glückliche Kindheit in einem Bergdorf. Ein sehr primitives Leben, fern jeglicher westlicher Zivilisation. Ein Leben, das sich ohne Vorwarnung und schlagartig in Nichts auflösen sollte. Araber – die „Mudschaheddin“, wie sie von den Einheimischen genannt wurden – überfallen ihr Dorf, metzeln die Erwachsenen nieder und nehmen die Kinder gefangen. Sie vergewaltigen sie und verkaufen sie schließlich als Sklaven. Verkauft an eine reiche Familie der Hauptstadt Khartoum, muss Mende nun begreifen, dass sie kein eigenes Leben mehr hat: Nachts schläft sie in einem Verschlag im Garten, tagsüber muss sie arbeiten bis zum Umfallen. Sie wird geschlagen, gedemütigt, ihre Seele immer und immer wieder gebrochen. Keine Zuneigung, kein Kontakt zur Außenwelt, immer im Ungewissen, ob ihre Familie noch lebt.
Nach sieben Jahren Martyrium prolongiert sich ihr Schicksal, als sie ins Ausland gebracht wird. Ihr neuer „Herr“ ist der Geschäftsträger der sudanesischen Botschaft in London. Mende denkt jetzt immer öfter an Selbstmord. Doch eines Tages bekommt sie die Chance zur Flucht und ergreift sie. Aber in der Freiheit muss Mende erkennen, dass sie nun keineswegs auch seelisch erlöst ist. Als 12-jähriges Mädchen aus einem Bergdorf verschleppt, jahrelang ohne Kontakt zu Menschen, hat sie akzeptiert, dass sie wirklich eine Sklavin ist, dass ihre „Herren“ absolute Gewalt über Leben und Tod haben. Dies abzuschütteln, ist ein schwieriger Weg.

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