Meine Sprache, deine Sprache

Von Martina Kopf · · 2007/06

Deutsch lernen, heißt die österreichische Integrations-Devise. Mehrsprachigkeit wird als Potenzial kaum wahrgenommen, geschweige denn gefördert und gepflegt.

Ausgerechnet die österreichische Industriellenvereinigung (IV) spricht plötzlich aus, was sich in der Politik kaum jemand zu sagen traut: „Österreich war und ist ein Zuwanderungsland, und das hat viele Vorteile für Wirtschaft und Gesellschaft gebracht.“ So gehört von Markus Beyrer, Generalsekretär der IV, bei der Präsentation eines Positionspapiers für eine zukunftsweisende Migrations- und Integrationspolitik in Österreich. Als eine der Säulen für die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund, die bereits in Österreich leben, wird genannt: der Erwerb guter Sprachkenntnisse und die frühzeitige Förderung der Kinder.

Wie wahr. Da will ich gleich noch einen anderen Vorschlag für die Umsetzung des Vorschlags nachschieben: Nicht nur deutsch, sondern auch türkisch, tschetschenisch, arabisch, polnisch,… für Einwanderungskinder und -jugendliche – und natürlich alle MehrheitsösterreicherInnen, die sich dafür interessieren. Warum? In den Integrationsdebatten wird Mehrsprachigkeit meist nicht als Potenzial wahrgenommen, das gepflegt und gefördert wird. Im Gegenteil wird sie bei der so genannten zweiten Generation wie ein Makel verfolgt – bis dahin, dass es SchülerInnen verboten wird, im Klassenzimmer in ihrer Muttersprache zu sprechen, wie mir eine Lehrerin an einem Wiener Gymnasium erzählte. Deutsch lernen, heißt die Devise, für eine Entwicklung der anderen Sprache ist kein Platz. Aber ob der beste Weg, Deutsch als Fremdsprache zu lernen, der ist, die Muttersprache zu entwerten, zu verdrängen, verkümmern zu lassen, wage ich zu bezweifeln. In der Bildungspolitik afrikanischer Länder zum Beispiel – Exempel von Mehrsprachigkeit par excellence – setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass Alphabetisierung und Sicherheit in der Erstsprache die beste Basis ist, eine Fremdsprache zu lernen. Lässt sich dieser Ansatz nicht auch in europäischen Ländern aufgreifen, so sie es ernst meinen damit, sich für Migration als Chance und Förderung der eigenen Gesellschaft zu öffnen? In Skandinavien ist es zum Beispiel seit längerem üblich, dass öffentliche Büchereien ein gut ausgestattetes Sortiment an Lese-, Hör- und Unterrichtsmaterial in den Sprachen der größten Migrationsgruppen haben. Auch die Wiener städtischen Büchereien sind auf dem Weg, wie aktuell wieder die Eröffnung einer Abteilung für zeitgenössische persische Literatur in der Hauptbücherei zeigt.
Doch für den Impuls, Mehrsprachigkeit als Reichtum und Ressource im Bildungswesen bewusst aufzugreifen und mit den dafür nötigen Mitteln auszustatten, braucht es ein grundsätzliches Bekenntnis dazu.

„Integration ist ein wechselseitiger Prozess“, heißt es in der Präsentation des Papers der Industriellenvereinigung, und weiter: „Zuwandernde Menschen müssen die europäischen Grund- und Menschenrechte sowie die rechtsstaatlichen Prinzipien der österreichischen Gesellschaft annehmen, zugleich werden ihre Identität stiftenden Werte, Kulturen und Prinzipien respektiert.“ Und Letzteres fängt eben mit Sprache an.

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