Im Süden Kolumbiens, wo in der Regierungszeit von Pastrana die Friedensgespräche mit der FARC-Guerilla geführt wurden, herrscht wieder Krieg. Ein Bischof kämpft dagegen.
Südwind: Was hat sich in der Region von San Vicente del Caguán, wo bis zum Februar 2002 die Friedensverhandlungen zwischen der kolumbianischen Regierung und der Guerillaorganisation FARC geführt wurden, nach dem Abbruch der Gespräche für die Bevölkerung geändert?
Bischof Múnera: Das war ein fast totaler Wechsel. Diese Gegend, wo die Menschen in relativer Entspannung und mit großen Erwartungen lebten, in der Hoffnung auf eine Zukunft in Frieden, wurde über Nacht wieder und mit völliger Vehemenz in den bewaffneten Konflikt hineingezogen. Die Regierung schickte viel Militär in die Region, es gab viele Kämpfe mit der Guerilla, das Leben, auch das Alltagsleben der Zivilbevölkerung, wurde total militarisiert.
Kam es auch zu Racheakten an Personen, die der Zusammenarbeit oder Sympathie mit den FARC verdächtigt wurden?
Natürlich. Viele Menschen, die in den drei Jahren der Friedensgespräche ihre Sympathie für die Guerilla gezeigt hatten, flohen aus der Region, andere wurden gezielt ermordet. Die FARC wiederum ergriffen Repressalien gegen Familien, die mit der Regierung arbeiten oder einen Angehörigen in der Armee haben.
Worin besteht die Sozialarbeit der Kirche in Ihrer Diözese?
Wir sind ein Apostolisches Vikariat – das ist die Vorstufe zur Diözese –, das sich über ein ausgedehntes Gebiet bis hin zur Grenze mit Peru und Ecuador erstreckt. Neben den normalen pastoralen Aufgaben haben wir uns stark im Bildungsbereich engagiert, da der Staat in den ländlichen Gegenden kaum präsent ist. Wir bauen Schulen, führen alternative Schulprojekte durch. In den Gemeinden fördern wir gemeinschaftliches Denken und Handeln durch ein Programm, das wir „Solidarische Aktion“ nennen. Wir versuchen, mit verschiedenen Projekten die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern, aber auch die Auswirkungen, die der Kampf zwischen Armee und Guerilla auf die Zivilbevölkerung hat, zu mildern.
An welche Bevölkerungsschichten richtet sich eure Arbeit im Besonderen?
Im Allgemeinen kann man sagen, dass wir mit allen Menschen arbeiten, die unter dem bewaffneten Konflikt leiden, und das ist nun einmal fast die ganze Bevölkerung. Im speziellen haben wir Projekte mit Jugendlichen. Diese leiden besonders unter der Perspektivlosigkeit ihrer Situation.
Um ein Auskommen zu finden, gehen einige zur Guerilla, andere zur Armee – oder sie verdienen sich ihr Geld über den Drogenhandel. Wir bauen alternative Wirtschaftsprojekte auf, schauen, dass die Jugendlichen eine brauchbare Fach- oder Schulausbildung erhalten, dass sie Matura machen können. Andere Projekte richten sich spezifisch an Frauen.
Im Hintergrund unserer Arbeit steht immer auch die Absicht, den Menschen die Werte eines friedlichen Zusammenlebens zu vermitteln.
Präsident Alvaro Uribe Vélez ist ja gerade dabei, die Verfassung zu ändern, um bei den Wahlen im kommenden Juni nochmals zu kandidieren. Glauben Sie, dass der Verfassungsgerichtshof dieser Änderung zustimmen wird?
Ich bin fast überzeugt davon, dass er diese Reform nicht verhindern können wird. Uribe hat es geschafft, dass die Bevölkerung in ihm bereits den Kandidaten sieht, und außerdem genießt er weiterhin hohe Popularität. Das Verfassungsgericht hat noch bis November Zeit mit einer Entscheidung, aber meinem Gefühl nach ist die allgemeine Stimmung auf Seiten Uribes.
Was müsste Ihrer Meinung nach geschehen, um diesen endlosen bewaffneten Konflikt in Kolumbien zu einem Ende zu bringen? Der Präsident versucht nun schon seit drei Jahren, mit militärischen Mitteln die Guerilla zu besiegen, doch war er dabei nicht besonders erfolgreich.
Einmal eine ernsthafte und permanente Politik für Frieden und Versöhnung, die in den Rang einer Staatspolitik erhoben wird, also die einzelnen Regierungen überdauert. Unsere Regierungen betrachten ja das Thema Frieden – oder Krieg – meistens nur als Wahlkampfthema.
Zweitens müssten die juridischen Grundlagen für eine nationale Versöhnung geschaffen werden, was aber keine Straflosigkeit für die Autoren schwerer Menschenrechtsverletzungen bedeutet.
Drittens müsste unbedingt mehr soziale Gerechtigkeit geschaffen und die bestehende Ungleichheit bei Einkommen, Berufschancen, Landbesitz usw. abgebaut werden.
Auch Probleme wie die weit verbreitete Korruption und der Rauschgifthandel müssen ernsthaft in Angriff genommen werden.
Bischof Múnera besuchte auf Einladung der Dreikönigsaktion kürzlich Wien. Die DKA unterstützt im Vikariat San Vicente mehrere Projekte im Bereich Gesundheit, Ausbildung („Landwirtschaftliche Matura“) und Ernährungssicherung.