Vergangenheitsbewältigung in Guatemala, SWM 1-2/2012
General Efraín Ríos Montt, verantwortlich für Dutzende Massaker in der Bürgerkriegszeit in Guatemala, sitzt nun auf der Anklagebank. Bis jetzt war der Ex-Diktator tabu.
Wenn es ernst wird und militärische Überlegenheit nicht mehr zählt, dann wirken auch die härtesten Männer zuweilen zerbrechlich. So wirkte denn Efraín Ríos Montt, als er am 26. Jänner vor Gericht erscheinen musste, wie ein fragiler Greis. Er muss sich für eine Anzahl von Massakern verantworten, die die Armee während seiner diktatorischen Regentschaft 1982/83 im indianischen Hochland verübte.
Der pensionierte General, der lange Zeit als unantastbar galt, verlor Mitte Jänner mit seinem Ausscheiden aus dem Kongress seine parlamentarische Immunität. Generalstaatsanwältin Claudia Paz y Paz zögerte nicht, gegen den ehemaligen Diktator einen Prozess wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu eröffnen. Zur Verhandlung stehen die während der Militärkampagnen „Victoria 82“ und „Firmeza 83“ in den Ixil-Gemeinden Cotzal, Chajul und Nebaj verübten Exzesse. In elf Massakern an der Zivilbevölkerung wurden dort 1.171 Menschen ermordet und 1.485 Frauen vergewaltigt. Überlebende berichteten, wie Schwangeren die ungeborenen Kinder aus dem Leib geschnitten wurden. Dem Angeklagten wird vorgeworfen, die Pläne dazu „autorisiert, entworfen und überwacht“ zu haben.
Ríos Montt, im März 1982 zunächst als Mitglied einer dreiköpfigen Junta durch Putsch an die Macht gekommen, gilt als Architekt einer schonungslosen Aufstandsbekämpfung – gegen die wehrlose Zivilbevölkerung. Die Guerilla war nach Einschätzung der Armeeführung damals drauf und dran, die Macht zu erobern. Nur äußerst drastisches Einschreiten könne das Land vor dem Kommunismus retten, so die Militärs. Dem Fisch, also der Guerilla, sollte durch Ermordung und Vertreibung der Zivilbevölkerung das Wasser entzogen werden. Ríos Montt hatte diese Strategie damals in mehreren Interviews auch verteidigt. Beim ersten Gerichtstermin nahm er keine Stellung zu den Punkten der Anklage, beantragte aber Hausarrest statt Untersuchungshaft. Mit Rücksicht auf das fortgeschrittene Alter des 85-jährigen Ex-Militärs und nach Festsetzung einer Kaution von umgerechnet etwa 50.000 Euro gab Richterin Carol Patricia Flores diesem Begehren statt. Der Prozess wird im März eröffnet.
Für Opferverbände und Menschenrechtsgruppen, die schon lange ein Ende der Straffreiheit einfordern, ist die Anklageeröffnung gegen einen der blutigsten Gewaltherrscher eine große Genugtuung. Der bewaffnete Konflikt, der 1996 nach 36 Jahren durch ein Friedensabkommen beendet wurde, hat geschätzte 250.000 Todesopfer gefordert und rund eine Million Menschen vertrieben. Nach der Dokumentation zweier Wahrheitskommissionen, die die Verbrechen anschließend aufarbeiteten, wurde die überwiegende Mehrzahl der Greueltaten von staatlichen oder parastaatlichen Akteuren verübt. Einer von ihnen ist auch General Otto Pérez Molina, der seit Jänner als Präsident regiert. Er hat einige der brutalen Aktionen im Ixil-Dreieck kommandiert. Eine seiner ersten Taten war es jetzt, die Sperre der Militärarchive vorzubereiten. Der Kongress soll demnächst ein noch von Amtsvorgänger Álvaro Colom entworfenes Gesetz beschließen, das Dokumente über die Jahre 1954 (Sturz des demokratisch gewählten Präsidenten Jacobo Arbenz durch einen CIA-unterstützten Putsch) bis 1996 (Friedensabkommen) „im Interesse der nationalen Sicherheit“ zur Verschlusssache erklärt.
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