Von Loeper Literaturverlag, Karlsruhe 2008. 216 Seiten, € 14,90
Der italienische Journalist Gabriele del Grande folgte drei Monate lang den Spuren derer, die sich auf den Weg nach Europa gemacht haben. Er reiste in die Türkei, nach Marokko und Tunesien; er besuchte den Senegal und sprach in Mauretanien, Mali und der Westsahara mit zahlreichen MigrantInnen. Es ist das große Verdienst des Autors, den Toten und Hinterbliebenen Gesichter und Namen zu geben. Er rekonstruiert die Umstände und Verläufe der Auswanderung, recherchiert Namen und Herkunft von Ertrunkenen. Del Grande besucht Familien, die um ihre Söhne und Töchter trauern, die auf den Schulden ihrer Kinder sitzen und überlegen, wie sie 5.000 Euro für die Überführung des Leichnams auftreiben können. Die Geschichten erzählen auch von geldgierigen passeurs, korrupten Uniformierten, den menschenverachtenden Zuständen in Nordafrikas Abschiebezentren und den Vertreibungen in die Wüste.
Vor allem streicht del Grande heraus, an welchen Punkten die Europäische Union die Verantwortung für das größte Seegrab Europas und die Toten in der Sahara trägt. Für die Kontrolle der Grenzen werde doppelt so viel Geld ausgegeben wie für den Haushaltsposten Immigration. Vor allem die Patrouillen mit Schiffen und Flugzeugen an den Südküsten Europas und vor Westafrika bis zum Senegal führten dazu, dass MigrantInnen immer waghalsigere Routen wählten. Die Abschreckung verhindere keineswegs, dass Menschen sich in Richtung Europa auf den Weg machen.
Das Buch bietet viele Informationen und erläutert wichtige Hintergründe. Ob es damit auch gelingt, die Öffentlichkeit, die sich offenbar mit diesem Massensterben vor Europas Küsten abgefunden hat, aufzurütteln, steht jedoch nicht allein in der Macht des Autors.