„Magie aus dem Müll“

Von Redaktion · · 2015/07

Mbongwana Star bieten mit ihrem Album „From Kinshasa“ kongolesischen Sound abseits gängiger Kategorien.

Die heutigen Mittfünfziger Yakala „Coco“ Ngambali und Nsituvuidi „Theo“ Nzonza kennen Kinshasa wirklich von ganz unten. Jahrzehntelang war ihr Leben vom täglichen Überlebenskampf geprägt. Die Band Staff Benda Bilili wurde von ihnen mitgegründet. Teils an Polio erkrankte Straßenmusiker rund um den Zoo von Kinshasa, die auf selbst gebastelten Gitarren und sonstigen improvisierten Instrumenten vor örtlichen Restaurants spielten und sonst dies und das verkauften. Sie kreierten eine Art Rumba-Funk, dabei auch schon einmal James Brown zitierend. Einige Zeit war die Band so richtig erfolgreich, veröffentlichte zwei weithin beachtete Alben und tourte um die Welt. Leider gab es dann unerfreuliche interne Auseinandersetzungen und Ngambali und Nzonza verließen die Band.

Guter Zeitpunkt. Da war es gerade recht, dass ihnen Renaud Barret, der einen Film über Benda Bilili und diverse Dokumentarfilme über Kinshasa machte, „Black Voices“, eine Platte vom legendären nigerianischen Drummer Tony Allen vorspielte. Diese wurde von Liam Farrell, Künstlername Doctor L, produziert. Irischer Abstammung, wuchs er in Paris auf und war bald in die dortige Hip Hop- und Elektro-Szene involviert, bevor er seine Energie in afrikanische Musik investierte.

Wie auch immer, Coco Ngambali und Theo Nzonza waren angetan und sahen in diesem Produktionsstil ihre Zukunft. Sowieso ist es ja schon länger recht hip, in Kinshasa vorbei zu schauen und ein Album zu produzieren. Gruppen wie die Kasai Allstars und Konono No 1. werden in Europa gehypt. Diverse elektrisch verstärkte Likembes, an sich ein traditionelles Fingerklavier ähnlich der Mbira, verschmelzen bei diesen Ensembles zusammen mit anderen Instrumenten zu einem hypnotischen Klang, der dann im Westen als eine Art handgemachter Techno durchgeht.

Doctor L, dem aber durchaus mehr und anderes vorschwebte, kam also an und nahm das Zepter in die Hand. Die neue Band Mbongwana Star war rasch gegründet, frisches Blut war mit einigen jungen zusätzlichen Musikern schnell gefunden.

Neuer Sound. Die erste Aufnahme-Session fand mit einem tuckernden Generator statt, weil es sonst mit dem elektrischen Strom in Kinshasa nicht weit her ist. Mit den rauen Aufnahmen im Gepäck begann er in Paris mit seinem alchemistischen Werk. Mit seiner exzentrischen Ästhetik entwickelte er einen tatsächlich anderen, neuen Klang und zauberte Magie aus dem Müll, wie er es selbst nennt. Eine unheimliche, bedrohliche Atmosphäre wird in pulsierende, treibende Energie transformiert. Farrell ist es gelungen, mit Mbongwana Star einen Sound abseits gängiger Kategorien zu schaffen, der groovig, punkig, ravig und trotzdem, oder gerade deshalb, kongolesisch ist.

Mbongwana Star, „From Kinshasa“ (World Circuit Records).

Werner Leiss ist Musikkritiker des Südwind-Magazins und Redakteur des „Concerto“, Österreichs Musikmagazin für Jazz, Blues und Worldmusic.

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