Der Abspann eines Films macht meist eines deutlich: Frauen sind weiterhin selten in den wichtigen Positionen der (Dokumentar)Filmproduktionen zu finden.
Als Kathryn Bigelow im März dieses Jahres den Oscar gewann, konnten viele nicht glauben, dass dieser Preis zum ersten Mal an eine Frau ging. Sofort begannen Diskussionen darüber, ob es zu wenige Frauen im Film gibt.
Dabei wurde die Frage längst wissenschaftlich beantwortet. Die renommierte US-Filmwissenschafterin Martha Lauzen stellte etwa fest, dass im Jahr 2009 nur 7 Prozent der FilmemacherInnen in Hollywood Frauen waren – ebenso wenige wie im Jahr 1987. Soviel zur Traumfabrik. Frauen als Regisseurinnen arbeiten dieser Studie zufolge vor allem für Filme, die nur auf Festivals gezeigt werden; kleineren Festivals.
Denn die Filmfestspiele von Cannes zeigten es heuer wieder vor: Die großen Festivals bleiben ein Fest der Männer. Abgesehen vom Preis für die beste Schauspielerin, der an Juliette Binoche ging, waren kaum Frauen unter den PreisträgerInnen. Ausgerechnet im Kurzfilm wurde mit Frida Kempff eine Frau prämiert. Damit wurde man den Klischees gerecht.
Die wichtigen Preise gehen nach wie vor hauptsächlich an Männer – und das nicht nur in Cannes –, während Frauen in kleineren, unbekannten Produktionen zu finden sind.
Was früher kaum aufgefallen ist, gilt inzwischen als großes Manko. Zu wenige Frauen arbeiten im Regiesessel und insbesondere an leitender Stelle in der Produktion. Das Filmschneiden gilt noch am ehesten als Frauendomäne. Hier gibt es zahlreiche Beispiele erfolgreicher Frauen, auch in Österreich. Dass an der Wiener Filmakademie letztes Jahr dennoch ein Mann die Professur für Schnitt bekam, muss leider als Symbol für die Diskriminierung von Frauen nach wie vor auch in der Kunst abgehakt werden.
Was sich geändert hat, ist, dass Frauen die Marginalisierung nicht mehr so einfach hinnehmen. Die einen kämpfen gegen den Ist-Zustand im Filmgeschäft, andere gehen unbeirrt ihren Weg und lassen sich nicht einschüchtern. Und das nicht nur in Österreich oder anderen Ländern der EU.
Im Spielfilm ist das noch recht schwierig. Hier werden vielfach die Gelder noch immer lieber männlichen Regisseuren anvertraut. Dass man auch dagegen etwas tun kann, hat Barbara Eder kürzlich mit ihrem Debut-Spielfilm Inside America gezeigt. Die Selbstausbeutung, die sie und ihr Team dafür hinnehmen mussten, geht allerdings weit über das Erträgliche hinaus. Lateinamerikanische oder afrikanische FilmemacherInnen können davon ein Lied singen. In vielen Ländern kommt hinzu, dass Filme zu drehen lebensgefährlich ist. Frauen wie die Iranerin Samira Makhmalbaf oder die Kuwaiterin Laila Marafie sind nur zwei der vielen Frauen, die sich davon nicht abhalten lassen.
Nicht weniger Ausbeutung gibt es im Dokumentarfilm. Nur dass diese Filme meist weniger kosten und dadurch leichter finanzierbar sind – zumindest theoretisch. Einige der spannendsten Arbeiten im Dokumentarfilm der letzten Jahre wurden von Frauen geliefert. Die Themen sind vielfältig. Was sich allerdings wie ein roter Faden durch einen großen Teil der von Frauen gedrehten Dokumentarfilme zieht, sind die gesellschaftspolitischen Themen. In Österreich waren das unter anderem Arbeiten von Klub Zwei (Liebe.Geschichte), Sudabeh Mortezai (Im Bazar der Geschlechter) (siehe SWM 4/2010), Nina Kusturica (little alien). Die Italienerin Sabina Guzzanti lehrt derzeit Silvio Berlusconi mit ihrem Streifen Draquila – L’italia che trema das Fürchten, in den USA versuchen Filmemacherinnen gegen den Kapitalismus als Heilslehre und gegen verschrobene Frauenbilder anzukämpfen. Auch in Nordafrika stehen Frauenbilder im Vordergrund weiblicher Dokumentarfilme.
Und in Lateinamerika lässt sich eine Welle beobachten, in der Regisseurinnen zu Frauen arbeiten, die den politischen Alltag verändert haben. Etwa Lillian Jiménez mit ihrem Film Antonia Pantoja ¡Presente! über die puertoricanische Feministin. Auch das eine Art Grundmotiv der Dokumentarfilmerinnen: Sie zeigen immer wieder Frauen, die durchschnittlich wirken, aber beispielhaft hervorstechen und deren Zeichnung im Film Vorbildwirkung haben kann. Die Filmemacherinnen benützen dafür nur selten den moralischen Zeigefinger, sondern zeigen die offenen Wunden in der Gesellschaft.
Erfreulich ist, dass es sie überall auf der Welt gibt, die neuen Filmemacherinnen, die es aufzuspüren gilt. So zeigt eine weitere aktuelle Studie von Martha Lauzen, dass Filme von Frauen an der Kinokassa ebenso erfolgreich sind wie die von Männern – vorausgesetzt, dass sie ebenso viele Mittel für die Realisation ihrer Filme erhalten. Logisch, irgendwie. Unterstützen kann man all diese KünstlerInnen übrigens, indem man sich für ihre Filme interessiert und diese kauft. Es ist leicht, dabei Wunderbares zu entdecken.
Daniela Ingruber ist Kriegsforscherin, Chefredakteurin des „planet“ sowie Mitarbeiterin der Diagonale – Festival des österreichischen Films.
Webtipps
www.wmm.com
http://womenintvfilm.sdsu.edu
www.moviesbywomen.com
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