Europa ist für Afrika ein wenig fairer Wirtschaftspartner und nun auch Finanzier dubioser „Türsteher“ gegen MigrantInnen.
"Afrika ist nicht arm, es ist ein reicher Kontinent mit vielen armen Menschen“, sagte der frühere UNO-Generalsekretär Kofi Annan der Süddeutschen Zeitung, die den Skandal um die „Paradise Papers“ aufgedeckt hat. Nach Überzeugung des Ghanaers Annan gibt es einen Zusammenhang zwischen den Steueroasen und dem Faktum, dass so viele der 1,2 Milliarden AfrikanerInnen arm sind. Pro Jahr fließen 160 Milliarden US-Dollar in die Region – Investitionen, Rücküberweisungen von AfrikanerInnen, die anderswo arbeiten, sowie die Mittel der Entwicklungszusammenarbeit. „Aber“, so betont Annan, „jedes Jahr fließen 200 Milliarden ab.“
Einen Teil dieses Finanzstroms leiten internationale – auch europäische – Bergbauunternehmen ab, die Vereinbarungen mit Staaten wie der Demokratischen Republik Kongo über Schürfrechte an Tochterfirmen in Steuerparadiesen übertragen, wo dann die Gewinne angehäuft werden.
Während hierzulande vor allem Befürchtungen über Migrationswellen hunderttausender AfrikanerInnen nach Europa groß publiziert werden, sieht man anderswo, speziell in Deutschland, durchaus einen Zusammenhang mit dem Verhalten von Unternehmen und Regierungen der EU.
Leergefischt. Seit Jahren ist davon die Rede, dass europäische Fischfangflotten die Meere vor den Küsten Afrikas leerfischen. Greenpeace und andere NGOs prangerten an, dass etwa in Mauretanien Millionen-Zahlungen an die Regierung gingen (und dort versickerten), während die lokale Fischereiwirtschaft verelendete.
In jüngster Zeit schließt die EU deshalb „nachhaltige“ Fischereiabkommen (SFPA) mit Obergrenzen für Fangquoten ab. Die Negativberichte hören trotzdem nicht auf, weil die afrikanischen Partner nicht die Möglichkeit haben, die Einhaltung zu überprüfen. So berichtete der deutsche Fernsehsender ARD aus dem Senegal über den „aussichtslosen Kampf“ der dortigen Fischer. Internationale Umweltgruppen beobachteten ein Jahr lang die fremden Fangflotten und stellten fest, dass viele von ihnen doppelt so viel fischten als sie durften. Durch den illegalen Fischfang entgingen Westafrika 1,2 Mrd. Dollar pro Jahr.
Nicht nur das: Durch die Überfischung wird das Angebot auf den lokalen Märkten geringer, dabei wäre Fisch gerade in Jahren der Dürre und geringerer Agrarproduktion wichtig. In vielen Gegenden Afrikas kommt die Landwirtschaft auch direkt unter Druck, weil von der EU subventionierte Agrarprodukte importiert werden. Märkte in Ghanas Hauptstadt Accra bieten tiefgefrorenes Hühnerfleisch aus Europa zum Kilopreis von umgerechnet 1,90 Euro an, während frisches lokales Hühnerfleisch 20 Euro pro Kilo kostet. Ähnlich ist es mit Milchpulver und Tomatenmark. Obwohl Ghana ein wichtiges Ananas-Anbaugebiet ist, endeckten Reporter im Supermarkt sogar Ananassaft der österreichischen Marke Rauch, abgefüllt in Ungarn.
EZA umgeschichtet. Zur Förderung der armen Landbevölkerung waren bisher die Mittel der EZA gedacht, doch die werden zunehmend umgeschichtet: Millionenbeträge und Militärhilfe gehen an nicht immer korruptionsfreie Regime, sogar an verbrecherische Warlords, um die Migration Richtung Europa zu stoppen – in Libyen, aber auch weiter südlich, in Niger und Sudan. Die Afrika-Spezialistin und Südwind-Autorin Simone Schlindwein hat dies im neuen Buch „Diktatoren als Türsteher Europas“ (Ch. Links Verlag, vgl. auch Artikel „Europas Türsteher“ in SWM 9/2017) dokumentiert. Die Blockade bisher möglicher Wanderungen Jobsuchender zwischen den Regionen Afrikas erhöht zudem die Arbeitslosigkeit.
Macht also die EU Afrika arm? Absichtlich wohl nicht. Dennoch ist offensichtlich, dass viele Entwicklungen in die falsche Richtung gehen.
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