Das kleinste spanischsprachige Land Südamerikas gilt als herausragend in Sachen Demokratie. Ab Oktober wird voraussichtlich in zwei Runden gewählt.
Nirgendwo sonst in der Region ist die Zustimmung zur Demokratie höher, die soziale Ungleichheit geringer: In Uruguay sind demokratische Spielregeln und eine unabhängige Justiz fest verankert. Wer das Präsidentschaftsamt übernehmen und ins Parlament einziehen wird, werden die Wahlen im Herbst entscheiden.
Die erste Runde findet am 27. Oktober statt, die zweite am 24. November, so kein Kandidat oder keine Kandidatin auf Anhieb mehr als 50 Prozent der Stimmen einheimsen kann – was Umfragen zufolge wahrscheinlich ist.
Dass der Kandidat des Frente Amplio, der gemäßigte Yamandú Orsi, ehemaliger Geschichtslehrer und seit zehn Jahren Bürgermeister von Canelones, dem zweitbevölkerungsreichsten Departement des Landes, zumindest in eine mögliche Stichwahl einzieht, gilt als sicher. Das breite Bündnis aus Kommunisten:innen, grünen Umweltbewegten bis zu gemäßigten Sozialdemokrat:innen und Sozialliberal:innen liegt mit über 40 Prozent der Stimmen in allen Umfragen vorne.
Demokratisch gut aufgestellt
Der derzeitige Amtsinhaber, Präsident Lacalle Pou, hätte mit seiner gemäßigt rechten Politik den Zustimmungswerten zufolge zwar Chancen auf eine zweite Amtszeit, aber die Verfassung lässt eine sofortige Wiederwahl nach einer Amtszeit nicht zu. Und an der Verfassung wird nicht gerüttelt.
Auf verschiedenen Demokratie-Indizes steht Uruguay weiter oben als andere südamerikanische Staaten. „Die Mittelschicht ist relativ gesehen die größte in Amerika und der Karibik und macht mehr als 60 Prozent der Bevölkerung aus“, schreibt die Weltbank in ihrem Länderüberblick. Obwohl die Wirtschaft im Jahr 2023 nur um 0,4 Prozent wuchs, wird für das laufende Jahr ein Wachstum von 3,2 Prozent erwartet. Sechs Prozent der rund 3,4 Millionen Uruguayer:innen leben in Armut. Von einer politischen Wechselstimmung ist bisher wenig zu spüren.
Hohe Sympathiewerte für rechten Präsidenten
Bei der Wahl 2019 hatte sich Lacalle Pou durch die Unterstützung einer Coalición Multicolor, einer Bunten Koalition aus fünf rechtskonservativen, rechtsaußen sowie kleinen liberalen Parteien in der Stichwahl mit einem hauchdünnen Vorsprung durchgesetzt. Er löste damit die Frente Amplio nach drei aufeinanderfolgenden Amtszeiten (2005-2020) im Präsidentenamt ab. Kurz danach begann die Covid-19-Pandemie. Lacalle Pou verhängte keine obligatorische Ausgangssperre und forderte die Bevölkerung zu einer freiwilligen Quarantäne auf. Das brachte ihm enorm hohe Sympathiewerte ein.
In Folge dessen gelang es ihm 2020 ein 476 Artikel umfassendes Reformgesetzespaket vom Kongress bewilligen zu lassen, mit dem unter anderem Maßnahmen zur Liberalisierung der Wirtschaft sowie eine Verschärfung des Streik- und des Demonstrationsrechts beschlossen wurden.
Linke punktete mit inhaltlicher Debatte
2022 initiierten der Gewerkschaftsdachverband PIT-CNT und kleinere Basisorganisationen ein Referendum gegen 135 Artikel des Reformpakets, auch die Frente Amplio unterstützte die Abstimmung
Zwar wurden diese 135 Artikel von der Bevölkerung mit einer knappen Mehrheit bestätigt, aber dem linken Bündnis gelang es damit, einen konstruktiven Rahmen für eine inhaltliche Debatte und interne Neuausrichtung zu schaffen, die auch nach der Referendumsniederlage fortgesetzt wurden. Rückblickend könnte dies paradoxerweise der Wendepunkte in Richtung eines möglichen Erfolges der Frente Amplio bei der kommenden Präsidentschaftswahl gewesen sein.
Zwei Modelle, zwei Chancen
Bei den bündnisinternen Vorwahlen im Juni 2024 setzte sich bei der Frente Amplio der gemäßigte Yamandú Orsi als Präsidentschaftskandidat gegen die Bürgermeisterin der Hauptstadt Montevideo, Carolina Cosse durch. Er wählte sie aber als Kandidatin für die Vizepräsidentschaft – ein geschickter Schachzug. Denn: Zusammen regieren der gemäßigte Orsi und die linke Cosse zwei Departements, in denen knapp 60 Prozent der Bevölkerung leben.
Für die Partido Nacional von Lacalle Pou gehen Álvaro Delgado und Valeria Ripoll ins Rennen. Sie kommen in den Umfragen zwar nur auf knapp über 25 Prozent der Stimmen, aber sollte es zu einer Stichwahl kommen, könnte sich die Bunte Regierungskoalition hinter sie stellen.
Ein Triumph bei der Präsidentschaftswahl ist für keines der beiden Lager sicher. Während die Frente Amplio sozialen Wohlstand mit dem Staat als Garanten verspricht, setzen die Kandidat:innen der Bunten Koalition auf mehr Markt und Neoliberalismus. Zwei Modelle, die einen spannenden Wahlkampf erwarten lassen.
Jürgen Vogt lebt seit 2005 in Buenos Aires und ist u. a. Korrespondent der deutschen Tageszeitung Taz.
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