In Burma häufen sich die Protestaktionen der Zivilgesellschaft, die nun nicht mehr vom Militär niedergeknüppelt werden. Ein Bericht aus einem erwachenden Land von Rainer Einzenberger.
Es waren die größten Proteste seit 2007 und ein weiterer Beleg für den anhaltenden Reformkurs unter Präsident Thein Sein. Hunderte DemonstrantInnen zogen Anfang Juni mit brennenden Kerzen in den Händen durch Burmas nächtliche Straßen. Auf den Transparenten standen Sprüche zu lesen wie: „China, gib uns unseren Strom zurück” und „Zuerst Strom, dann Demokratie”. Auslöser der Proteste war die chronische Unterversorgung mit Strom in allen Teilen des Landes, mit Ausnahme der neu errichteten Hauptstadt Naypidaw, dem einzigen Ort in Burma mit 24 Stunden Strom am Tag. Vor allem im letzten Jahr hatten sich die Stromausfälle aufgrund des stark steigenden Strombedarfs gehäuft.
Das Problem ist nicht neu. Seit vielen Jahren leben die Menschen in Burma mit Stromknappheit. Alltagsgespräche über Stromausfälle sind so normal wie andernorts Gespräche über das Wetter. Dieselbetriebene Generatoren sind ein fixer Bestandteil des Straßenbilds in Rangun und anderen Städten. Wer es sich leisten kann, produziert den Strom selbst. Jede Villa in den Nobelvierteln der Hauptstadt ist mit einem Generator ausgestattet, ebenso die meisten Hotels. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung muss aber auf die Annehmlichkeiten elektrischen Stroms verzichten und greift im Alltag zu Holzkohle und Kerzen.
Die negativen Auswirkungen der Energiearmut auf Mensch und Umwelt sind enorm. Doch erst mehr als ein Jahr nach Antritt der Regierung unter Präsident Thein Sein wagten sich die Menschen deshalb auf die Straße. Im Unterschied zu 2007 schlug die Regierung diesmal die Demonstrationen nicht mit Gewalt nieder. Ganz im Gegenteil, sie versprach, die öffentlichen Unmutsbekundungen ernst zu nehmen und die Stromversorgung rasch zu verbessern. Dutzende Hochleistungsgeneratoren wurden innerhalb kürzester Zeit im Ausland bestellt. Ebenso wurde zugesichert, ein Planungskomitee zur Erarbeitung einer nationalen Energiestrategie ins Leben zu rufen.
Von der Bevölkerung von geschätzten 52 bis 60 Millionen hat nach offiziellen Angaben weniger als ein Viertel Zugang zu elektrischem Strom. Kaum irgendwo auf der Welt ist der Stromverbrauch pro Kopf so niedrig wie in Burma. Diese Situation ist insofern paradox, als es eines der ressourcenreichsten Länder Asiens ist und beträchtliche Erdöl- und Erdgasvorkommen besitzt, ebenso wie ein enormes Potenzial an Wasserkraft. In den letzten Jahren investierten vor allem China, Thailand und Südkorea mehr als 20 Milliarden US-Dollar in Burma, vor allem im Energiesektor sowie in Erdöl- und Erdgasexploration. Chinesische Unternehmen bauten und planten über 40 Wasserkraftwerke, deren Strom hauptsächlich für den Export nach China bestimmt ist. Besonders umstritten ist das Myitsone-Staudammprojekt im Kachin-Staat, das vom Präsidenten nach zahlreichen Protesten der Zivilgesellschaft vorläufig gestoppt wurde.
Doch nicht nur der Strom der Wasserkraftwerke und das Erdgas/Erdöl flossen bisher an der Bevölkerung vorbei. Auch die Einkünfte aus deren Verkauf gingen direkt in die Taschen der Generäle und vermutlich auf Auslandskonten in Singapur. Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds wurden nicht einmal ein Prozent der Einnahmen für den Staatshaushalt verwendet, der chronisch unterfinanziert ist.
Nach Aufhebung der internationalen Wirtschaftssanktionen zeichnet sich derzeit ein Wettlauf um wertvolle Konzessionen und Lizenzen in Burmas Rohstoffsektor ab. Im Juli fand in Rangun ein internationaler Bergbaugipfel statt, im September soll es eine internationale Ausschreibung für 25 Erdgas- und Erdölfelder geben. Auch der Westen will nun kräftig mitmischen.
Um dem Ressourcenfluch zu entgehen, der viele Entwicklungsländer in der Armutsfalle hält, will Burmas Regierung in Zukunft Transparenz zeigen, was die Einnahmen aus der Rohstoffindustrie betrifft. Überraschend kündigte die Regierung im Juli an, sich an der „Extractive Industries Transparency Initiative“ (EITI – Initiative für Transparenz in der Rohstoffwirtschaft) beteiligen zu wollen. Die Regierung will damit sicherstellen, dass die Einnahmen dem Großteil der Bevölkerung zugutekommen und „nicht nur einer kleinen Gruppe“, versicherte der Präsident in einem Interview.
Die Schritte in Richtung mehr Transparenz sind ein positives Signal, doch sind umfassendere Reformen im Rohstoff- und Energiesektor nötig, um mehr Menschen in Burma Zugang zu elektrischem Strom zu ermöglichen. Der Erfolg des demokratischen Wandels wird auch von einer gerechten Verteilung von Rohstoffen und Energie abhängen.
Rainer Einzenberger ist seit Jänner 2010 Programmkoordinator des Myanmar/Burma-Programms im Südostasien-Regionalbüro der Heinrich Böll-Stiftung in Bangkok.
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