Österreich hat in Sachen Inseratenvergabe und Medienförderung gewaltigen Handlungsbedarf. Nicht erst seit der Affäre um Sebastian Kurz, sondern seit Jahrzehnten.
In Österreich braucht es wieder mal einen Korruptionsskandal und eine handfeste Regierungskrise, bevor der Aufschrei kommt: Die Inseratenaffäre rund um Sebastian Kurz machte einer breiten Öffentlichkeit im Land bewusst, wie schlimm die Situation ist.
Dabei trieben Kurz und seine türkise Buberlpartie in mancherlei Hinsicht nur Dinge auf die Spitze, die lange bekannt sind. „Fellnerismus“ nannte schon vor Jahren Falter-Herausgeber Armin Thurnher das Geschäftsmodell von Wolfgang Fellner und seiner Tageszeitung Österreich.
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wirft Kurz und Fellner vor, „Deals“ gemacht zu haben.
Und da Onlineplattformen den Zeitungen einen großen Teil der kommerziellen Werbung abgejagt haben, werden Inserate öffentlicher Stellen für das Überleben von Printmedien immer wichtiger. Die Leser*innen lässt man über solche Zusammenhänge meist im Dunkeln.
2020 warb die öffentliche Hand, also Bund, Länder, Gemeinden sowie öffentliche Unternehmen, laut der Zeitung Der Standard um 15,4 Millionen Euro in Fellners Österreich. Rund 25,8 Millionen gingen an die Kronen Zeitung, 24,2 Millionen an den ORF, 16 Millionen an die Gratiszeitung Heute. Inserate werden folgerichtig als „indirekte Presseförderung“ bezeichnet.
Im gleichen Jahr wurde eine Corona-Sonderförderung ausgeschüttet, von der 3,3 Mio. die Kronen Zeitung bekam und zwei Millionen Österreich.
Übrigens: Das Südwind-Magazin bekam 2020 rund 14.700 Euro Corona-Sonderföderung. Werbung von öffentlicher Seite wurde bei uns im selben Jahr im Wert von knapp über 17.000 Euro geschaltet.
Korrupt & verstaubt. Seit Jahren pochen Fachleute darauf – etwa der Medienwissenschaftler Fritz Hausjell oder Daniela Kraus, Chefin des Presseclubs Concordia –, transparente Modelle für Inseratenvergabe und Medienförderung zu etablieren, durch die Medien weniger anfällig für Korruption und eben möglichst unabhängig von der Politik sind.
Expert*innen wie der Kommunikationswissenschaftler Josef Trappel kritisieren zudem, dass das grundlegende Verständnis, wie eine Förderung zu funktionieren hat, Jahrzehnte alt ist. Die Höhe der Corona-Sonderförderung etwa orientierte sich ausschließlich an Druck- und Auflagezahlen. Was ist das für ein Zugang? Wie kann man Medien profitieren lassen, die auf fragwürdige Methoden setzen und auf Masse produzieren? Derweilen kämpfen viele, die auf Qualität setzen, ums Überleben.
Entscheidender Moment. Die Stadt Wien hat 2019 einen ersten Schritt mit der sogenannten Medieninitiative gemacht, die seither Projekte auf Basis der journalistischen Umsetzung und des Innovationswerts fördert. Bewertet wird das von einer Fachjury (Zur Info: Auch das Südwind-Magazin hat 2020 ein kleines Projekt eingereicht und die Zusage bekommen).
Impulse, die neue Initiativen anstoßen, sind gut. Aber wer Medienvielfalt sagt, muss auch sinnvolle Basisförderung sagen. Denn gerade für kleinere, unabhängige Medien ist die aktuelle Situation herausfordernd.
Wann Qualitätsjournalismus fördern und Medienvielfalt absichern, wenn nicht jetzt?
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