Wir leiden unter der Arbeit. Wir leiden, wenn wir keine Arbeit haben.
Haben wir uns unser Leben so vorgestellt?
In Österreich wird derzeit heftig darüber nachgedacht, was Schwerarbeit ist. Geht es um den Kalorienverbrauch? Geht es um die Tages- bzw. Nachtzeit? Die psychische oder die physische Belastung? Um die Belästigung durch Schmutz, Geruch oder chemische Substanzen?
Eine Anregung für diejenigen, die um die Definition ringen: Ist es denkbar, in den Kriterienreigen auch den Faktor „Entfremdung“ aufzunehmen? Entfremdete Arbeit, eine Arbeit, die wir nicht tun wollen, von deren Sinnhaftigkeit wir nicht überzeugt sind, die unserer Meinung nach nicht wirklich nützlich ist.
Wer kennt nicht eine Reihe von Menschen – auch in so genannten qualifizierten Berufen –, die unter ihrer Arbeit leiden? Im Dreieck Arbeit – Zeit – Geld ist meist eine Komponente schwach vertreten. Diese Unausgewogenheit führt zu Unzufriedenheit. Eine Ausnahme sind in dieser Hinsicht sicher die Nichtregierungsorganisationen, deren MitarbeiterInnen meist schlecht bezahlt, überarbeitet und dennoch hochmotiviert sind.
Wie wir arbeiten, bestimmt, wie wir leben. Mit Arbeit verbringen wir einen wesentlichen Teil unserer Lebenszeit.
Wer mit seiner Arbeit zufrieden ist, laut eigener Einschätzung dafür auch genug Geld dafür bekommt und noch genug Zeit für sich und das wirklich Wichtige hat, hat dann vielleicht Angst vor dem Verlust seines Arbeitplatzes. Sei es durch Sparpakete oder die weltweite Standortkonkurrenz. Noch unglücklicher als die entfremdete Arbeit macht die Arbeitslosigkeit. Das globale Lohndumping pervertiert den Individualismus, eine der angeblich großen Errungenschaften des liberalen Kapitalismus. Das aus der Gesellschaft befreite Individuum, jetzt vogelfrei, wird als Arbeitskraft über den Globus austauschbar. Und dabei geht es nicht mehr nur um Näherinnen aus Bangladesch oder aus dem Burgenland, sondern auch um indische Ärzte oder US-amerikanische Computerfachleute.
Wenn jeder das tut, was er will, steht die Wirtschaft binnen zwölf Stunden still. Sinngemäß mit dieser Aussage wirbt eine renommierte Schweizer Management-Schule derzeit in Hochglanz-Magazinen. Na und?, möchte man provokant antworten. Ist das die Wirtschaft, die wir wollen? Der Philosoph Frithjof Bergmann, einer der Hauptredner beim Symposium der Alternativen NobelpreisträgerInnen in Salzburg (siehe auch Artikel auf Seite 8), kommt zu einem ganz anderen Schluss als die Management-Gurus: Wenn jeder das tut, was er wirklich will, dann haben wir nichts weniger als eine bessere Welt, gekennzeichnet durch dezentrales, selbst bestimmtes, zukunftsfähiges Wirtschaften.
Ob man den Optimismus des amerikanischen Philosophie-Professors Bergmann zur Gänze teilt oder nicht: Wir sollten auf jeden Fall ein Menschenbild pflegen, das es jedem einzelnen gestattet, über seinen Sinn des Lebens nachzudenken, seinen Wünschen und Visionen zu folgen versuchen – ohne gleich den Zusammenbruch des Systems befürchten zu müssen.
Mehr Ruhe zum Nachdenken, Utopien, mehr gelebte Gegenwart als Angst vor der Zukunft, mehr Selbstverwirklichung werden die Gesellschaft nicht zerstören, sondern kreative Kräfte freisetzen. Und die werden auf jeden Fall gebraucht, angesichts der weltweiten Herausforderungen.